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»Wo ist unser Kind verscharrt?«

Fünf Jahre nach Biancas Verschwinden hoffen Eltern auf den Mordprozess

Von Christian Althoff
Gütersloh (WB). In den Augen von Angela R. (47) schimmern Tränen, der Blick der Frau geht ins Leere. »Nach fünf Jahren möchte ich endlich erfahren, wo meine Tochter verscharrt ist. Damit sie würdig bestattet wird und ich an ihrem Grab Abschied nehmen kann«, schluchzt die Gütersloherin.
Ehemann Alexander F. steht unter Tatverdacht.
Die Kripo nimmt an, dass Bianca ermordet wurde.

Ende Oktober muss sich der Schwiegersohn von Angela und Martin R. (47) wegen Mordes vor dem Landgericht Detmold verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Oerlinghausener Alexander F. (28) vor, seine schwangere Frau Bianca (22) im Juni 2000 im Streit getötet und in der Senne bei Oerlinghausen vergraben zu haben - nur fünf Tage nach der Hochzeit. Der Tatverdächtige sitzt seit einigen Wochen in Untersuchungshaft und bestreitet den Mord. Alexander F. behauptet, seine Frau habe ihn damals im Streit verlassen.
Bis heute fehlt von der 22-jährigen Malerin jede Spur, doch hatte eine Sonderkommission der Kripo zuletzt so viele Indizien gegen den Ehemann zusammengetragen, dass das Amtsgericht einen Haftbefehl gegen den früheren Zeitsoldaten erlassen hatte.
Im Wohnzimmerschrank von Biancas Eltern liegt ein Album mit Kinderbildern ihrer Tochter. »Ich habe seit Jahren nicht mehr hineingeguckt, weil es mir das Herz brechen würde«, sagt die Mutter mit belegter Stimme. Sie und ihr Mann sind überzeugt, dass ihr Schwiegersohn für Biancas Verschwinden verantwortlich ist: »Nachdem sie ihn damals angeblich verlassen hat, hat er es nicht einmal für nötig gehalten, uns anzurufen«, erinnert sie sich. »Wir haben erst vier Wochen später davon erfahren und sofort Vermisstenanzeige erstattet, was Alexander bis dahin nicht getan hatte«, erzählt Martin R. »Meine Frau hat ihn deswegen am Telefon richtig zusammengestaucht.«
Angela R. erinnert sich, dass ihrer Tochter damals überglücklich gewesen sei, weil sie ein Kind erwartete. »Bianca war so was von stolz! Die wäre nie fortgegangen, ohne ihren Mutterpass mitzunehmen. Und auch ihre Hündin Tina hätte sie nie zurückgelassen.« Als sie wenige Wochen nach Biancas Verschwinden auch noch erfahren hätten, dass ihr Schwiegersohn eine neue Freundin hatte, hätten sie gewusst, dass etwas Schreckliches passiert sei. »Wir haben damals unsere Tochter verloren und unser ungeborenes Enkelkind«, sagt Martin R.
Seit jenen Wochen im Sommer 2000 sei ihr Leben zerstört, erzählt die Mutter. »Ich versuche, nicht immer an Bianca zu denken, aber an ihrem Geburtstag und anderen Feiertagen übermannt mich der Schmerz.« Sie kapsele sich dann in ihrer Wohnung ein, damit sie nicht von anderen Menschen auf Bianca angesprochen werde, erzählt die 47-Jährige.
Im Mordprozess gegen ihren Schwiegersohn wollen Angela und Martin K. als Nebenkläger auftreten: »Ich werde ihm in die Augen sehen, und er soll mir sagen, wo meine Tochter ist«, sagt die Mutter. »Er kann Bianca zwar nicht wieder lebendig machen, aber er kann ihr einen letzten Dienst erweisen und dafür sorgen, dass wir sie menschenwürdig bestatten können.«

Artikel vom 12.09.2005