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Integration kommt nicht nach Hause

Katarina Klawa bescheinigt Deutschen viel Toleranz gegenüber Migranten

Von Dirk Schröder
Gütersloh (WB). Das ist die gesellschaftliche Realität mit ihren vielschichtigen Problemen: 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben heute in Deutschland, sind also Einwanderer oder hier geborene Kinder von Einwanderern.
»Ich will für andere kein Maßstab sein, wohl aber ein Vorbild«: Katarina Klawa stammt aus Kroatien.
Eine derartige Veränderung der Bevölkerungsstruktur ist eine große Herausforderung und birgt Konflikte. Marieluise Beck, Beauftragte der bisherigen rot-grünen Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, bei der Vorstellung ihres letzten Berichts über die Situation der Ausländer in Deutschland: »Unser Land steht vor der Aufgabe, sich selbst aufnahmefähig zu machen. Unsere gesellschaftlichen Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Ausbildungsmarkt, Arbeitsmarkt, Krankenhäuser und Altenheime müssen in die Lage versetzt werden, mit diesen Herausforderungen produktiv umzugehen.«
Beck zieht den Schluss, dass sich eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung nur entwickeln kann, »wenn wir Einheimische wie Zugewanderte von den Werten unserer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft überzeugen.«
Katarina Klawa, inzwischen eingebürgert, gehört zu den Ausländern, die in Deutschland ein neues Hause gefunden haben. Vor 40 Jahren ist die gebürtige Kroatin aus dem damaligen Jugoslawien geflüchtet. Sie weiß die Freiheit zu schätzen, die sie hier vorgefunden hat. »Ich habe die Diktatur erlebt«, erinnert sie daran, dass sie wie viele andere doch freiwillig in dieses Land gekommen sei. Natürlich ist es hier auch passiert, dass Deutsche ihr reserviert gegenüber getreten seien, was man sich bei ihrer einnehmenden und freundlichen Art kaum vorstellen kann.
Doch im großen und ganzen bescheinigt die 65-jährige Güters-loherin der deutschen Bevölkerung viel Toleranz. Es gebe halt kein Land der Heiligen, kritisiert sie auf der anderen Seite das Verhalten manch ausländischer Mitbürger. Vom Gesetzgeber werde viel für die Integration getan, ist sie überzeugt. »Ich bin doch in dieses Land gekommen, um hier zu leben, mit allen Rechten und Pflichten.« Viele Einwanderer würden genau die Gesetze kennen, die ihnen Vorteile bringen. Wenn es ihnen aber schlecht gehe, seien immer die anderen Schuld.
Katarina Klawa will diese Beobachtungen nicht verallgemeinern, doch seien sie häufig festzustellen. »Die erwarten, dass man ihnen die Integration sozusagen nach Hause bringt.« Vor 40 Jahren habe sie kein Wort Deutsch gesprochen. Sie hat sich dann Zeitungen gekauft und mit Hilfe eines Wörterbuchs übersetzt. Heute spricht sie fehlerfrei Deutsch, auch wenn der Akzent ihre Herkunft noch erahnen lässt.
Als Buchhalterin hat die gebürtige Kroatin lange Jahre gearbeitet, aber ihr ehrenamtliches Engagement war eher noch intensiver.
Ob sie in den 80er Jahren die Vormundschaft für entmündigte Frauen übernommen und für sie Wohngruppen gegründet hat. Ob sie in Schlaganfall- und Selbsthilfegruppen mitgearbeitet hat. Oder ob sie mit Hilfstransporten dafür gesorgt hat, dass ihre Landsleute während des Kriegs auf dem Balkan überleben konnten. Das freiwillige Engagement Katarina Klawas ist vielfältig. Bis heute ist sie unermüdlich und ehrenamtlich unterwegs. »Ich will kein Maßstab für andere sein, wohl aber ein Vorbild«, gibt sie sich bescheiden.
Sie will aber nicht nur Kritik üben, sondern die Menschen, die nach Deutschland kommen, ermuntern, sich die Frage zu stellen, was kann ich an meinem Platz leisten für das Wohl der Gesellschaft. Klawa: »Die Welt kann so schön sein, wenn sie jeder etwas besinnen würde.«

Artikel vom 21.10.2005