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»Familien finanzieren Kindergeld selbst«

Unter den Kleinen vielleicht die Größten - Familienpartei und ÖDP zusammen

Von Reinhard Brockmann
Paderborn/Höxter (WB). Sie könnten unter den Kleinstparteien die Größten werden. Familienpartei und ÖDP treten bei der Bundestagswahl erstmals gemeinsam an.

Die Familienpartei ließ dreimal aufhorchen: 3,0 Prozent an der Saar, 2,6 in Brandenburg und 1,0 bei der Europawahl. Auch die von Ex-CDU-Mitglied Herbert Gruhl (»Ein Planet wird geplündert«) 1982 gegründete Ökologisch-Demokratische Partei zeigt Standvermögen. Einer ihrer Schwerpunkte ist Bad Driburg. Dort stellt sie drei Ratsmitglieder.
Die ÖDP tritt bei der vorgezogenen Wahl nicht an, unterstützt dafür die Familienpartei. Das hat in Ostwestfalen Folgen. Martina Renger (ÖDP) ist Direktkandidatin der Familienpartei im Kreis Höxter. Außerdem gibt es Direktbewerber in Paderborn und Minden-Lübbecke.
Während Renger 2002 noch gegen die langjährige Vize-Chefin der Familienpartei, Dagmar Feldmann aus Warburg, antrat, streiten die zwei Frauen jetzt Seite an Seite. Beide haben einen Sechs-Personenhaushalt zu versorgen, wissen »wie schnell ein 50 Euro-Schein im Supermarkt weg ist« und fordern Gerechtigkeit - auch im Sinne der Alleinerziehenden. »Familien finanzieren über die Verbrauchssteuern ihr eigenes Kindergeld«, sagt Renger. Feldmann ergänzt, »die einzige Mehrbelastung für Kinderlose in der Pflegeversicherung kostet die gerade einen Cappuccino pro Monat.«
Im Programm heißt es dazu: »Eine Gesellschaft, in der aller Leute Kinder alle Alten voll versorgen sollen, hat nur dann eine Zukunft, wenn ausreichend viele Kinder und damit leistungsfähige Generationen groß gezogen werden.« Gerechterweise sollten auch alle Alten an den Kosten des Kinderaufziehens beteiligt gewesen sein. Eltern sollen künftig für jedes Kind einen Stimmzettel extra erhalten. Seit 2003 läuft eine Verfassungsklage gegen das alleinige Erwachsenenwahlrecht.
Familie wird als Querschnittsaufgabe für alle Politikbereiche verstanden. Renger: »Wir sind alles andere als eine Ein-Thema-Partei«. Kernforderung ist ein sozialversicherungs- und steuerpflichtiges Erziehungsgehalt, das über eine Familienkasse ähnlich der Pflegeversicherung finanziert wird, damit auch Kinderlose angemessen beteiligt werden. Die Beitragszahlungen sollen auf alle Einkommensarten erhoben werden.
Spätestens seit Fischer und Co. an die Fleischtöpfe der Macht gelangt seien, laufe bei den Grünen vieles falsch, sagt Renger. Die Ozon-Belastung der Atmosphäre zu beklagen, »aber selbst um den halben Globus zu jetten«, passt für sie nicht zusammen. Auch sollen Kernkraftwerke nicht auslaufen, sondern sofort dicht gemacht werden. Renger: »Richtige Grüne sind bei den Grünen ganz selten geworden, die gibt es dort höchstens noch an der Basis«.
Warum tritt die Familienpartei (neben vielen anderen, siehe rechts) immer wieder an, obwohl sie die Fünf-Prozenthürde kaum schaffen kann? Auf eine harte Frage zwei nette Antworten: »Bevor einer gar nicht wählt, soll er uns wählen und dem Protest eine Richtung geben«, sagt Renger und Feldmann ergänzt: »Kleine Stachel bringen große Elefanten auf Trab.«

Artikel vom 13.09.2005