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Künstlerische Innenansichten
aus Bethel

Ausstellung in »Haus Lydda«

Von Sabine Schulze
Bethel (WB). Isabel Schnittker hat sich ein Stück Pappelholz vorgenommen. Das Innere des Stammes hat sie sichtbar gemacht, den Stamm geöffnet wie einen Körper, ihn geradezu aufgerissen.

Ulrich Vinke hat dagegen mit Tusche und Gouache Einblicke in ein Bethelhaus gegeben: Indem er schlicht die Außenmauer wegließ, offenbart er das Innere, während draußen ein Sturm tost. »Innen und Außen« - das war das Motto, unter dem in diesem Jahr die Sommerakademie in Haus Lydda stand. Eine Fülle von Arbeiten entstand, von denen einige Dutzend ab heute in einer Ausstellung am Maraweg 15 zu sehen sind.
Zum elften Mal hat die Sommerakademie in Haus Lydda stattgefunden, und wie immer war der Zuspruch groß. 66 Bewohner Bethels oder Menschen, die von Bethel unterstützt werden, waren dabei und haben sich in elf jeweils einwöchigen Kursen mit Malerei, Zeichnen und Plastik befasst. Angeleitet wurden sie von den Künstlern Sabine Feldwieser, Karl-Heinz Gies, Pascale Gräbener, Beate Wefel und Willi Kemper, der zugleich Leiter von Haus Lydda ist. 53 der Laienkünstler zwischen 20 und 80 Jahren stellen jeweils ein oder zwei Arbeiten aus.
»Für die Teilnehmer war das intensive Eintauchen in den Kunstprozess etwas Besonderes«, sagt Kemper. Und den meisten geht es in dieser Woche wirklich gut - auch chronisch Kranke vergessen dann ihre Beschwerden. Die Ausstellung ist stets etwas Besonderes und Wichtiges. »Im vergangenen Jahr fiel sie wegen eines anderen Projektes aus, und es hagelte massive Proteste«, berichtet Kemper.
Das Motto »Innen und Außen« ist bewusst gewählt und spiegelt den Zeitgeist: »Viele Leute wollen aus Bethel ausbrechen und stellen dann fest, dass sie Ýfür außenÜ noch nicht fit genug sind. Hauptthema ist das außerdem für psychisch Kranke: Das Sich-Öffnen, den Schritt nach außen zu wagen, ist für sie entscheidend«, erklärt Kemper. Und ergänzt, dass sich die Teilnehmer trotz unterschiedlicher Handicaps - körperlich oder geistig - wunderbar ergänzten.
So unterschiedlich die Laienkünstler sind, so vielschichtig sind ihre Arbeiten. Markus Herzels Plastik greift das Thema formal auf; er hat zwischen Außenwände Kugeln gelegt. Ohne die Wände hätten sie keinen Halt, zugleich aber sind sie im Inneren gefangen. Und Isalia Alves Lopez zeigt ein fast expressionistisches menschliches Gesicht mit intensiv blickenden Augen. Einige Arbeiten sind impulsiv und farbintensiv, manche Zeichnungen detailverliebt, andere sind fast reine Malerei oder kindlich-naiv, Plastiken (besonders aus Gasbeton) sind oft weich, fließend und gefällig.
Die Ausstellung wird heute um 19 Uhr eröffnet; sie ist bis zum 15. Oktober mittwochs bis samstags von 15 bis 18 Uhr zu sehen.

Artikel vom 09.09.2005