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Dogland: Viel Lärm um nichts

Uraufführung zur Spielzeiteröffnung mit freundlichem Applaus bedacht

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Also, nun mal keine Aufregung! »Dogland« ist nämlich gar kein Stück über Baumheide. »Dogland« ist ein Stück über Heimkehr, über den Wunsch, dass wieder alles so wird wie früher, darüber, dass sich am liebsten nichts verändern soll - man hat sich schließlich arrangiert. Und all' das trifft nicht nur auf Baumheide zu, sondern auch auf Dornberg, Sennestadt, Mitte, auf München, Hamburg, Dresden, Köln. . .

»Dogland« erlebte im Theater Bielefeld seine Uraufführung (Theaterlabor), und es gab keinen einzigen Buhruf, keine Pfiffe, es gab nur - wenn auch erst verhaltenen, dann stürmischen - Beifall.
Viel Lärm (im Vorfeld) um nichts? Im Grunde ja.
Autor Nuran Calis, in Baumheide aufgewachsen, hat wohl ein ziemliches Stück Biografie mit verarbeitet, setzt dabei auch auf Szenen, die man seinen unmündigen Kindern vielleicht nicht unbedingt zumuten möchte, aber er gleitet nie ins Peinliche ab. Im Gegenteil: In »Dogland« darf gelacht werden - auch, wenn das Stück in Hoffnungslosigkeit und in einem Blutbad endet.
Kompliment an Regisseur Philipp Preuss. Er hat aus den meist knappen Dialogen mit jeder Menge »Sch. . .« in allen Variationen, jede Menge »Alter« und »Eh« ein richtiges Stück gemacht, Kompliment an Ramallah Aubrecht für die Bühne, die fast nur aus Latten und milchigen Plastikfolien bestand, aber dennoch die unterschiedlichsten Spielräume öffnete: der Laden für Naturkorkböden, das Bordell, Wohnungen, Straßen.
Kompliment an die Schauspieler und da, ohne den anderen Unrecht tun zu wollen, vor allem an Nico Nothnagel. Der spielt den Frank, der sich selbst einredet, eine bürgerliche Existenz aufgebaut zu haben: mit eigenem Geschäft, eigener Frau (die nachts anschaffen geht) und eigener Zukunft. Er trägt zum immer etwas zu engen Anzug Goldkette (wie früher zu Bandenzeiten). Nothnagel zeigt den Anpassler, der niemanden verärgern will, der vor Problemen die Augen verschließt - solange, bis es zu spät ist. Andreas Hilscher ist Memo, der Rückkehrer aus dem Krieg, der zur Projektionsfläche der Sehnsüchte und der Wut wird. Und letztendlich auch zum Opfer. Lale (Carmen Priego) hält immer zu ihrem Jungen, wollte aber auch ein eigenes Leben und träumt doch von der perfekten Familie. Sie hat sich Mike (Stefan Gohlke) ausgesucht, der »nur seinen Job macht«. Und darauf achtet, dass die Vorschriften eingehalten werden. Claudia Mau (Christin) ist Memos frühere Freundin und Franks Frau; sie will nicht weg, hat sich abgefunden. Genau so wie Pepsi (Nicole Paul), die macht, was Alex (Oliver Baierl) ihr sagt. Der hat nicht nur die üppigsten Texte, sondern macht sich auch am meisten vor - verstrickt in Hoffnungslosigkeit.
Und Baumheide? Na ja, es ist halt die Fassung fürs Theater Bielefeld. Wird es anderswo aufgeführt, dann heißt Baumheide vielleicht Halle-Neustadt oder München-Haselberge oder Berlin-Marzahn.
»Dogland«, Teil 2 der Calis'schen Heimattriloge, ist im September und Oktober zu sehen und wird im Januar 2006 erneut aufgeführt.

Artikel vom 12.09.2005