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»Der reine Wahnsinn«

Andre Agassi auf dem Weg zum krönenden Abschluss

New York (dpa). Für den letzten Triumph seiner grandiosen Tennis-Karriere vollbringt Andre Agassi sogar bislang Unmögliches. Nie zuvor hatte der Amerikaner in 20 Jahren bei den US Open ein Match nach einem 0:2-Satzrückstand noch aus dem Feuer gerissen.
Das galt bis gestern - bis zu der Nachtschicht im Viertelfinale gegen seinen Landsmann James Blake, der am Donnerstagmorgen nach 2:51 Stunden einem der Wahnsinns-Returns von Agassi zum 3:6, 3:6, 6:3, 6:3, 7:6 (8:6)-Erfolg des 35-Jährigen nur noch tatenlos hinterher sehen konnte.
Es war 1.08 Uhr New Yorker Zeit, als der Matchball im dramatischen Tiebreak ein fantastisches Match beendete. Nicht einen der 25 000 Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadion hielt es auf seinem Stuhl. »Es ist der reine Wahnsinn«, sagte Blake, umarmte den Sieger und strahlte, als hätte er gerade das Halbfinale erreicht.
Das bestreitet Agassi am Samstag in einem weiteren amerikanischen Duell gegen Robby Ginepri. Der Haas-Bezwinger kämpfte den Argentinier Guillermo Coria nach einer 3:03 Stunden währenden Achterbahnfahrt mit 4:6, 6:1, 7:5, 3:6, 7:5 nieder. »Ich bin total tot«, sagte er und freute sich auf die drei freien Tage vor dem Showdown mit dem ältesten Halbfinalisten der US Open seit Jimmy Connors im Jahr 1991.
»Ein Match wie dieses bereichert dein Leben. Das genau ist es, darum bin ich noch dabei«, sagte Agassi. Nach der Verletzung in Roland Garros und der Absage in Wimbledon hatte er schon an Aufgabe gedacht. Aber zum Abschied ein dritter Triumph in Flushing Meadows nach 1994 und 1999: Das weckte den Ehrgeiz.
»Weder James noch ich haben heute gewonnen. Das war ein Sieg für das Tennis«, sagte Agassi. Sein Kontrahent Blake meinte: »Es ist kein Spaß zu verlieren, aber das heute Nacht hat wirklich Spaß gemacht. Nun werde ich Andre anfeuern.«
»Auf dem Papier spricht alles für James«, hatte dessen Freund, der frühere US-Open-Champion Mats Wilander, angekündigt. Er durfte sich zweieinhalb Sätze lang bestätigt fühlen. Letztlich gewann Agassi das Match aber verdient. Er war nicht minder fit, holte nicht weniger unmögliche Bälle, aber vor allem hat er mehr Routine. »Die gab im Tiebreak den Ausschlag«, erklärte der Sieger.
Spannend bis zur letzten Sekunde ging es auch im Viertelfinale zwischen Jelena Dementjewa und Lindsay Davenport zu. Die glücklichere Vorjahresfinalistin aus Russland gewann mit 6:1, 3:6, 7:6 (8:6) gegen die Nummer eins der Tennis-Welt und buchte das Halbfinale am Freitag gegen Mary Pierce.
Diese erreicht nach zwölf vergeblichen Versuchen in New York durch ein 6:4, 6:1 im französischen Duell gegen Amelie Mauresmo erstmals die Vorschlussrunde. Das andere Halbfinale bestreiten die Russin Maria Scharapowa und Kim Clijsters aus Belgien.
Erfreuliches gab es auch aus deutscher Sicht zu berichten: Anna Lena Grönefeld aus Nordhorn besiegte im Viertelfinale an der Seite ihrer 28 Jahre älteren Doppelpartnerin Martina Navratilova (USA) die amtierenden Australian Open Champions Swetlana Kusnetsowa/Alicia Molik (RUS/AUS) mit 6:7 (5:7), 7:5, 7:5. Sie spielen in der Vorschlussrunde nun gegen die russisch-italienische Paarung Jelena Dementjewa/Flavia Pennetta.

Artikel vom 09.09.2005