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Drei Punkte an einem Tag, weiter so

Im Gespräch: Sigmar Gabriel, Ex-Ministerpräsident und Berlin-Kandidat

Paderborn (WB). Sigmar Gabriel (45) kandidiert für den Bundestag - aber nicht, um Die Linke/PDS salonfähig zu machen, wie der SPD-Hoffnungsträger im Interview mit Reinhard Brockmann versichert. Strebt nach Berlin: Sigmar Gabriel (45)
Gefällt es Ihnen, dass Ihr Name oft in Verbindung gebracht wird mit der SPD »danach« - nach dem 18. September? Gabriel: Nein. Ich konzentriere mich ganz auf den Wahlkampf. Personalspekulationen sind in der gegenwärtigen Situation wenig hilfreich.

Sie zählen auch zu den üblichen Verdächtigen, wenn es um Rot-Rot geht. Gabriel: Das hat Guido Westerwelle mal behauptet, als ihm nichts Besseres mehr eingefallen ist. Die Verzweiflung bei der FDP muss weit fortgeschritten sein.

Sie stehen definitiv nicht zur Verfügung für die Herren Lafontaine und Gysi? Gabriel: Nein. Ein Zusammengehen mit der so genannten »Linkspartei« kommt für mich wie für die gesamte SPD nicht in Frage. Das würde Deutschland international und im Inneren nur schaden.

Hat die SPD am linken Rand nicht aufgepasst? Gabriel: Das ist ja nicht die neue, sondern die alte Linke. Außerdem: Wie Gregor Gysi und die alten Ostkader mit Oskar Lafontaine und seinen Westsektierern klarkommen wollen, das weiß ich wirklich nicht. Die haben keine große Überlebenschance. Im übrigen haben viele bei denen ihren Gestaltungswillen längst aufgegeben. Es gibt da einige Leute, die gar nicht regieren wollen. Das könnte daran liegen, dass die immer noch klug genug sind, um zu erkennen, dass ihr Programm gar nicht umsetzbar ist. Es könnte also noch ein Rest an Realismus vorhanden sein.

Gehört man mit 45 noch zu den Jungen in der SPD? Gabriel: Leider ja. Aus meiner Generation sind viele erst gar nicht in Parteien eingetreten und nur wenige bei der SPD. Aber ich bin optimistisch, was Mitgliederentwicklung angeht. Im Bezirk Braunschweig haben wir im vergangenen Jahr eine Mitgliederwerbekampagne gestartet und hatten 450 Neueintritte.

Noch zehn Tage : Sind noch zehn Punkte drin? Gabriel: Wir haben jetzt an einem Tag drei Punkte geholt. So kann es weitergehen. Abgerechnet wird am 18. September.

Und wie viele Wähler kostet Sie die Linkspartei? Gabriel: Wir wollen möglichst viele Tore schießen. Ich beteilige mich nicht an Spekulationen.

Da ist Gerhard Schröder mutiger. Er sagt voraus: Die Linke schafft nicht einmal fünf Prozent. Gabriel: Ich beteilige mich daran, die unter fünf Prozent zu bringen.

Wird im Rest-Wahlkampf nur noch geholzt? Gabriel: Meine Erfahrung ist anders. Dieser Wahlkampf hat bei den Bürgern ganz stark das Bedürfnis nach Argumentation ausgelöst. Das Ganze ist natürlich keine Klosterschule und keine Abteilung für Feingeiger, aber die Menschen wollen Inhalte. Sie wollen auch selber Argumente bringen und mitreden. Auf meinem Weg nach Paderborn hatte ich noch eine Kundgebung in Lemgo. Unter den 120 Zuhörern waren auch Zwischenrufer, das war in Ordnung. Das beste ist, man lässt sie ausreden und geht auf Argumente ein. Viele Menschen sind unentschlossen. Viele haben noch Fragen. Das wollen wir nutzen.

Artikel vom 09.09.2005