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»Lasst den Lukas schnaufen«

Bundestrainer Klinsmann sorgt sich um seinen Tor-Künstler Podolski

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bremen (WB). Tor, Tor und nochmals Tor. Aber Lukas Podolski kann noch mehr. Bei seinem Dreierpack in Bremen ging fast unter, dass der Kölner den Treffer des Werder-Lokalmatadoren Tim Borowski auch noch feinmechanisch einfädelte.

Jede dieser Szenen war ein kleines Kunstwerk. Als wenn es Podolski das eigene Können fast unmöglich macht, einfach nur so statt ständig meisterhaft abzuschließen. Ein Zusammenschnitt seiner formidabelsten Einschüsse lohnte schon vorher, das erste Treffer-Triple für die Nationalelf beim 4:2 gegen Südafrika hätte es komplett verdient, in die Augenschmaus-Serie der tollkühnsten Tore aufgenommen zu werden.
»Es macht enormen Spaß, dem Kerl dabei zuzusehen, wie er die Dinge aus dem Instinkt heraus macht. Lukas ist ein außergewöhnliches Talent«, konnte auch der Bundestrainer nicht anders, als beeindruckt zu sein. Nun war Jürgen Klinsmann selbst auch kein ganz schlechter Stürmer, doch im Direktvergleich mit dem 20-Jährigen tritt der 41-Jährige freiwillig zurück: »Als ich so alt war wie er, spielte ich noch zweite Liga.« Fast richtig. Klinsmann war noch 19, als er die Stuttgarter Kickers verließ und zum VfB ging.
Doch im Gegensatz zu seinem heutigen Chef ist der junge Kölner schon beinahe ein alter Hase, stahlgeprüft. Ein Jahr zweite Liga mit dem FC kann fit machen für den Rest der Karriere. Den Abstieg hatte zuvor auch der vom damaligen Kölner Trainer Marcel Koller in der A-Jugend entdeckte Podolski nicht mehr verhindern können.
Zehn Treffer steuerte er jedoch schon damals bei - mehr als jeder andere in seinem Alter in der Bundesliga auf Anhieb erzielt hatte. Zehn Tore stehen seit Bremen auch in der DFB-Auswahl zu Buche. In Köln wird er längst als »Prinz Poldi« verehrt, eine Prinzenrolle vor lauter Glück schlägt er nicht: »In Köln müssen wir aufpassen, nicht abzusteigen«, ahnt er. Und an den Dreierpack im Weserstadion »erinnert sich nächstes Jahr doch keiner mehr.«
Podolski mag keine großen Worte. Er antwortet zwar wie aus der Pistole geschossen, aber wie aus einer Schnellfeuerpistole. Zack, zack, zack - fertig ist der Satz. Kurz, knapp, und knackig. Gedankenschwere ist auch vor dem Tor nur hinderlich, Fußball ein einfaches Spiel. Und hoffentlich nicht bald zu schwer für seinen anerkannten Superstürmer: »Wir müssen gut auf Lukas Acht geben und ihn behutsam aufbauen«, sagt Klinsmann. Zu Klubtrainer Uwe Rapolder besteht diesbezüglich Dauerkontakt. Die auch vom Confed-Cup verursachte Schwächephase steigerte die Fürsorge der beteiligten Fußball-Lehrer nur noch. Ebenso wie der erdrückende Rummel in Köln, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Klinsmann formuliert eine gemeinsame Bitte: »Lasst den Lukas schnaufen, lasst ihn ein normales Leben führen.«
Wahrscheinlich gelingt das auf dem Fußballplatz am besten. Gelegentlich gibt es dort sogar heimatliche Gefühle zu erleben. Vom Schiedsrichter in Bremen verabschiedete sich Podolski bei seiner Auswechslung mit Smalltalk und Handschlag. Der Unparteiische hieß Gregorsz Gilewski und kommt aus Polen. Von dort stammt auch Podolski. Dass er dem Spielleiter sein rotes DFB-Trikot mit der Nummer 20 versprach, hat auch damit zu tun, dass Podolski gern die Anweisung seiner Eltern beherzigt: Niemals zu vergessen, wo man herkommt.
Und natürlich auch nicht, wohin man will: Mit dem FC ans Klassenziel, und dann mit dem Nationalteam ganz weit bei der WM.

Artikel vom 09.09.2005