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Als die Frau nur zwei
»Lebensfragen« hatte

Petticoat und Nierentisch: Die 50er Jahre in Hamburg

Von Carola Große-Wilde
Hamburg (dpa). Petticoat, Nierentisch und Isetta: In einer großen Ausstellung erleben die 50er Jahre im Museum für Kunst und Gewerbe ein Revival. Mehr als 450 Objekte von 45 öffentlichen und privaten Sammlungen lassen bis zum 13. November Lebensgefühl, Kunst und Design dieser Aufbruchzeit wieder lebendig werden.

»Es war eine Phase des Neubeginns in allen Bereichen - ob Design, Architektur oder Mode«, sagte Kurator Martin Faass gestern. Nach der dunklen Zeit des Zweiten Weltkriegs sehnten sich die Menschen nach Reisen, Farbe - und ein wenig Luxus.
Gleich zu Beginn der Schau begrüßt eine Isetta von 1958 mit dem passenden Campinganhänger die Besucher. »Sie war der populäre Vorbote eines neuen Zeitalters der mobilen Gesellschaft«, sagte Faass. Dank des eigenen Fortbewegungsmittels rückte so die Erfüllung eines der größten Wünsche der Nachkriegsgeneration in greifbare Nähe: die Urlaubsreise. Italien, Spanien oder für ein Wochenende nach Paris. »In der Trümmerzeit hatte die Fahrt ins Ausland zur größten Sehnsucht gehört. Nun konnte man es sich leisten; ein neues Selbstwertgefühl stellte sich ein.«
In wenigen Jahren schaffte die Bundesrepublik Deutschland den Wandel vom Kriegsverlierer zum Umsatzsieger. Trotz schlechter Arbeitsbedingungen und geringer Einkommen konnte die Mehrzahl dem von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard »Wir sind wieder wer!« zustimmen. Da ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung für viele ein unerreichbarer Traum blieb, sollte wenigstens die Küche modern sein: Elektroherd und Kühlschrank, Waschmaschine und Schleuder, das musste sein. Auch das Interesse für das, was auf den Laufstegen der Modemetropolen gezeigt wurde, stieg. Modezeitschriften »für die moderne Frau« schossen wie Pilze aus dem Boden.
Die Werte der 50er Jahren waren jedoch konservativ. Man wollte »geordnete Verhältnisse« und das wiederbeleben, was vor dem Krieg war. Das zeigte sich vor allem im Rollenbild der Frau, die ihren Platz zu Hause am Herd hatte. »Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? Und was soll ich kochen?«, heißt es da in einem Werbespot für Pudding. Die Vergangenheit wurde einfach verdrängt - mit Heimatfilmen wie »Grün ist die Heide« oder »Die Geierwally«. Die »Sissi«-Filme machten die 17-jährige Romy Schneider über Nacht zum Star. Wegen einer kurzen Nacktszene provozierte Hildegard Knef in »Die Sünderin« einen Skandal.
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Artikel vom 08.09.2005