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Deutsche Sprache früh erlernen

Förderprojekt: Migranten im Kindergarten erhalten Sprachunterricht

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Wer hier lebt, aber die deutsche Sprache nicht beherrscht, hat beruflich keine Chance. Und kommt den Sozialstaat teuer zu stehen. Deshalb startet zum Jahreswechsel ein ehrgeiziges Programm: Sprachschulung schon im Kindergartenalter.

Knapp 50 Prozent der etwa 10 500 Bielefelder Kindergartenkinder erlernen Deutsch nicht als Muttersprache; nicht alle bedürfen der Förderung. Doch pro Jahr sind es immerhin 1400 Kinder »mit Migrantenhintergrund« (»Ausländer« wäre das falsche Wort, weil Sprachkompetenz und Ausländerstatus nicht automatisch Hand in Hand gehen), die geschult werden müssen, wenn man sie nicht in späteren Jahren als ALG II- oder Hartz IV-Empfänger auf den Sozialämtern wiedersehen will.
Die Sparkasse, die Stadt, die Arbeiterwohlfahrt und die Bürgerstiftung haben deshalb ein Projekt erarbeitet, das 140 Kurse zu je vier Wochenstunden vorsieht, in denen Kinder im zweiten und dritten Kindergartenjahr Deutsch lernen - Angebot und Nachfrage sollen deckungsgleich sein. Weil aber Spracherwerb unbedingt durch Sprechpraxis in der Familie vertieft werden muss, bezieht man die Eltern für eine fünfte Wochenstunde in das Projekt ein.
Das kostet. 700 000 Euro steuert die Sparkasse (nicht deren Stiftung - die Mittel fließen aus bereits versteuerten Gewinnen!) bei, um das dreieinhalbjährige Vorhaben stützen. »Wir begreifen das als Ausdruck unseres Engagements für die Gemeinschaft aller Bürger«, sagte gestern Hans-Georg Vogt, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse.
550 000 Euro jährlich fließen aus dem Stadtsäckel. »Wir haben Mittel im Haushalt umschichten müssen, um dies zu ermöglichen«, erklärte Oberbürgermeister Eberhard David.
Mit der Umsetzung ist die AWO betraut: Ihre Agentur »Job Scout« fungiert als Träger der für die Kurse benötigten Lehrkräfte (auch zweisprachige Migrantinnen helfen als Mittler zwischen Eltern und Förderern) und vermittelt sie an Kindergärten. »140 Kurse heißt 140 neue Minijobs, die voll sozialversicherungspflichtig sind«, betonte gestern Norbert Wellmann, AWO-Bezirksvorsitzender in OWL.
Welche Aussichten auf Erfolg bestehen? »Wir stellen fest, dass die Eltern gerne zur Mitarbeit bereit sind, wenn ihren Kindern Angebote gemacht werden«, erklärte Sozialdezernent Tim Kähler. »Wir dürfen also davon ausgehen, dass die Einbindung der Familien funktioniert.«
Wie werden Fortschritte sichergestellt und kontrolliert? »Dafür haben wir zwei Module: den Grundkurs im zweiten und den Aufbaukurs im dritten Kindergartenjahr«, sagt Kähler. Im übrigen gebe es ja den Schuleignungstest.
Das Projekt wird natürlich wissenschaftlich begleitet. Irgendwann sollen detaillierte Bilanzen vorliegen, an denen sich ablesen lässt, welche Belastungen diese Präventivmaßnahme hat verhindern helfen. Ist an eine Fortsetzung gedacht? »Wenn genaue Zahlen vorliegen, werden die Geldgeber uns in dreieinhalb Jahren die Tür einrennen«, prophezeit David. Der OB dankte allen Beteiligten, darunter Andreas Rüther (Vorsitzender des Schulausschusses), Regine Weißenfeld (Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses), Birgit Brinkmann (»Job Scout«-Leiterin), Karl-Heinz Voßhans (Leiter des Jugend- und Sozialamtes) und Jürgen Heinrich (Bürgerstiftung) für ihren Einsatz an dem zukunftssichernden Förderungsprojekt: »Ein guter Tag für Bielefeld!«

Artikel vom 08.09.2005