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Hauptschüler auf dem Lehrstellenmarkt

Mit 16 schon abgestempelt


Er hat schon 250 Bewerbungen geschrieben und noch immer keine Lehrstelle. Ein Blick in sein Hauptschul-Zeugnis liefert den Grund: Deutsch, Mathe, Englisch - überall nur ausreichend. Dass er in der Zwischenzeit zu Hause Mathe gepaukt hat, steht da nicht.
Er würde ja gern einem dieser Personalchefs sagen, dass er Fachkraft für Lagerlogistik werden möchte und nicht etwa Mathematik-Nobelpreisträger. Aber er bekommt keine Chance. Es scheint so, als trage er - erst knapp 16-jährig -Êschon einen Stempel auf der Stirn: Für den Arbeitsmarkt nicht geeignet.
Irgendwann zwischen der 215. und 230. Bewerbung gab ihm dann sein Pauker eine Adresse. Der Typ hinter dem Schreibtisch war gar nicht so übel. Okay, er hat erstmal herumgemäkelt. Beim Bewerbungsgespräch dürfe er aber nicht seine Mütze einfach auf dem Kopf behalten. Das Kaugummi müsse er vorher aus dem Mund nehmen und das Handy ausschalten.
Das Mäkeln war ein bisschen nervig. Aber dann hat er überlegt, dass er ja wirklich eine Lehrstelle möchte. Und dass das vielleicht wichtiger ist als so eine blöde Mütze.
Der Typ hat ihm dann sogar eine Telefonnummer gegeben und darauf gedrängt, dass er gleich anruft. Das Unglaubliche geschah: Er hat morgen ein Vorstellungsgespräch. Vielleicht ist es doch nicht zu spät. Vielleicht wird er doch gebraucht. Vielleicht ist das der Anfang einer echten Karriere.Bernhard Hertlein

Artikel vom 09.09.2005