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China auf dem
Weg zur Spitze

Deutsche Möbel stark im Export

Von Bernhard Hertlein
Köln (WB). Büro- und Küchenmöbel top, Sitz-, Schlaf- und Wohnzimmermöbel flop: Die Branchen-Konjunktur war im ersten Halbjahr 2005 gespalten. Unterm Strich hat die deutsche Möbelindustrie aber sichtbar zugelegt, und zwar inklusive Auto- und Flugzeugsitze um 4,2, bereinigt um etwa 2,0 Prozent.

Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Möbelindustrie, zeigte sich gestern mit der Entwicklung zufrieden. Die deutschen Hersteller konnten mehr absetzen, obwohl der deutsche Möbelhandel Umsatz verlor. Die Schere zwischen den Importen und eigenen Export wurde nicht größer. Im Gegenteil: Die Importe gingen sogar um 4,6 Prozent zurück.
Unter den Importeuren schiebt sich die chinesische Polstermöbelindustrie sehr stark nach vorne. Schon 2004 steigerten sie ihre Verkäufe um 39,4 Prozent auf 215 Millionen Euro. In der ersten Hälfte 2005 legten sie erneut um 39,2 Prozent auf 161 Millionen Euro zu. Die Gesamthöhe der Möbelimporte aus China überschreitet in diesem Jahr vermutlich die 700-Millionen-Euro-Grenze. Damit ist Peking bereits jetzt in Deutschland drittgrößter Importeur und dabei, Italien von Platz 2 zu verdrängen. Im Falle der Nummer 1, Polen, sind zwei Drittel der Importe in den Händen deutscher Unternehmen. Dies ist im Falle Chinas anders, obwohl auch dort einige Hersteller (Beispiel: Schieder) Fuß fassen möchten.
Nach Ansicht von Klaas ist das außergewöhnliche Wachstum bei den Polstermöbeln allerdings auch auf irreguläre Preisbildung zurückzuführen. Der Verband der deutschen Möbelindustrie trage derzeit Fakten für ein Anti-Dumping-Verfahren zusammen. »Auf Dauer führt allerdings kein Weg daran vorbei, dass China zum größten Möbelproduzenten der Welt aufsteigt«, erklärte Klaas. »Offen ist nur der Zeitpunkt.«
Dass die deutsche Möbelindustrie trotzdem im ersten Halbjahr zulegen und ihren Stellenabbau verlangsamen konnte, liegt an den wachsenden Erfolgen im Ausland. Ihre Exportquote erreicht inzwischen fast 32 Prozent. Besonders erfolgreich sind die deutschen Hersteller derzeit im Mittleren Osten. Die Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erhöhten sich im ersten Halbjahr um 70 Prozent auf 7,3 Millionen Euro und nach Saudi Arabien um 46 Prozent auf drei Millionen Euro. Einige Küchenhersteller aus Ostwestfalen verkaufen außerdem viel in China.
Insgesamt erzielten die 2715 (Jahresbeginn: 2744) deutschen Möbelhersteller von Januar bis Ende Juni 2005 einen Umsatz von 8,5 Milliarden Euro. Die Zahl der Beschäftigten ging um 1900 auf 216 300 zurück.
Die Sparte Büromöbel beendete eine lange Talfahrt und stieg um 5,7 Prozent auf eine Milliarde Euro. Die Küchenindustrie legte um 0,6 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro zu; ihr Exportwachstum erreichte sogar 16,4 Prozent.
Sitzmöbel-Hersteller verloren dagegen sechs Prozent auf 2,4 Milliarden und Kastenmöbel (Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer) 4,3 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Klaas sieht eine Ursache auch im geänderten Zeitgeschmack: »Die alte klassische Wohnzimmerwand ist nicht mehr gefragt.« Matratzen-Hersteller hielten sich stabil bei 440 Millionen Euro.
Höhere Ausgaben vor allem für Energie können nach Ansicht von Klaas nicht ohne Auswirkungen auf die Möbelpreise bleiben. Der Verbandssprecher erwartet Erhöhungen um durchschnittlich drei Prozent zuzüglich einer etwaigen zweiprozentigen Mehrwertsteuer-Erhöhung. Von ihr erwartet er »außer einem Vorzieheffekt« dauerhaft keine negativen Auswirkungen auf die Branchen-Konjunktur. Dagegen könnte ein Regierungswechsel die Stimmung insgesamt verbessern und 2006 für weitere Dynamik sorgen.

Artikel vom 07.09.2005