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Es fällt Dieter Klages nicht leicht, von den lustigen, aber hochwertigen Glasfiguren Abschied zu nehmen. Doch ein Zurück gibt es für ihn nicht.

Branchenmix
verliert bunten
Mosaikstein

Dieter Klages schließt Fachgeschäft

Von Markus Poch
(Text und Fotos)
Brackwede (mp). Lange hat Dieter Klages mit sich gerungen, aber sein Entschluss steht fest: Nach 23 Jahren an der Hauptstraße 88 wird er sein Geschäft zum 15. November schweren Herzens schließen. Der Räumungsverkauf mit 20 Prozent Rabatt auf alles läuft bereits.

Wer Glas, Porzellan oder Geschenkartikel sucht, muss künftig woanders kaufen. Viele seiner langjährigen oder potentiellen Kunden hatten das in der jüngeren Vergangenheit sowieso schon so gemacht. Deshalb sah Klages, der bis zum Ruhestand eigentlich noch zwei Jahre dranhängen wollte, keine Perspektive mehr für seinen 120 Quadratmeter großen Laden.
»Seit Wochen kann ich kaum noch schlafen«, erklärt der 62-jährige gelernte Großhandelskaufmann. »Die Banken sitzen mir im Nacken, der Vermieter lässt nicht mit sich reden, und die Geschäftslage in Brackwede verschlechtert sich zusehends. Wir machen die Fachberatung, aber gekauft wird da, wo es am günstigsten ist.«
Als übermächtige Konkurrenz sieht er vor allem die großen Drogerie-, Bau- und Möbelmärkte: »Da parkt die Kunschaft kostenlos auf der grünen Wiese, und bei uns in Brackwede streiten sich die letzten Kauf-Interessenten mit den Politessen über ihre Knöllchen. So kann es doch nicht gehen«, bemängelt Dieter Klages. Die Flaute in seiner Kasse habe aber auch mit der generellen Krise der hochwertigen Porzellan- und Glasindustrie zu tun. Von Billiangeboten aus China, Indien, Polen oder Rumänien würde das gewachsene Geschäft einfach überschwemmt. Darauf stürzten sich vor allem die jungen Leute. Klages nennt sie schlicht die »Kaffeebecher-Generation«, »die für unsere vielfältigen Qualitätsprodukte nichts mehr übrig hat. Und bei den Älteren stehen die Schränke voll, die brauchen nichts mehr.«
Erst seit der Räumungsverkauf läuft, herrscht plötzlich wieder guter Betrieb zwischen den Kristallgläsern und WMF-Bestecken. Zahllose Beleidsbekundungen hat der Brackweder Geschäftsmann dabei in den letzten Tagen gehört. Es sei ja alles so traurig, und ob er sich denn wirklich zurückziehen wolle. »Ich will ja nicht nur die anderen glücklich machen, sondern auch mich selbst«, sagt Klages. Deshalb räumt er seine Lagerregale jetzt so gut es geht leer und gibt die Überbleibsel dann im November komplett an einen Resteverwerter ab. Interessante Messen lässt er wohl oder übel Messen sein, Bestellungen nimmt er nur noch in Ausnahmefällen entgegen. Und dann ist irgendwann Schluss. Danach bleibt »endlich mehr Zeit für Sport, vor allem Rad fahren, Schwimmen und Wandern.« Das alles macht Dieter Klages zusammen mit seiner Lebensgefährtin Brigitte Busse (63), die ihm auch im schwierigen Endspurt mit der Schließung seines Geschäfts den Rücken stärkt.
Die Vielfalt der Brackweder Einkaufsmeile wird um einen bunten Mosaikstein ärmer. Ein Nachmieter, egal aus welcher Branche, ist noch nicht in Sicht. Das treibt auch Frank Becker, Vorsitzender der Werbe- und Interessengemeinschaft Brackwede (WIG), die Sorgenfalten auf die Stirn. »Unser Branchenmix verliert ein wichtiges Segment», sagt er. »Für die verbliebenen Einzelhändler wächst die Verantwortung bei der Darstellung unserer Kaufmannschaft nach außen.«

Artikel vom 07.09.2005