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Schanzen an der Galgenheide

Tag des offenen Denkmals: Bielefeld bietet mehr als andere Großstädte

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Der Herzog von Cumberland blickte auf die Landkarte, und, na bitte, da stand es doch: Frankreich liegt irgendwo südwestlich von Bielefeld. Also verschanzte sich Cumberland, um den Pass über den Teuto zu sperren, an der Galgenheide (Gadderbaum) und am Lönkert (Brackwede) und blickte angestrengt nach Südwesten. Was dann passierte, erfahren Sie am Tag des offenen Denkmals.

An diesem Sonntag nämlich, wenn wieder einmal bundesweit die Perlen der Architektur und andere beachtliche Zeugnisse menschlichen Wirkens in den Blickpunkt rücken, nimmt Heinz-Dieter Zutz Sie mit auf eine dreistündige Exkursion zu jenem Ort, an dem am 13. Juni 1757 Militärgeschichte geschrieben wurde: zu den Schanzen, die noch heute von einem verhängnisvollen Irrtum künden.
Treffpunkt: 10 Uhr an der Kreuzung Carl-Severing-/Osnabrücker Straße. Sie erfahren, warum die Franzosen im Frühstadium des Siebenjährigen Krieges Bielefeld plünderten. Sie hören von einer alten Karte, die Bielefelds berühmtester Bürgermeister, Gerhard Bunnemann, 1891 in einem Berliner Antiquariat aufstöberte. Die Schlacht von Minden spielt eine Rolle, und langsam naht das Mirakel des Hauses Brandenburg.
So spannend lässt sich Geschichte erzählen, und so spannend dürften viele der Angebote sein, die Bauamt und Untere Denkmalbehörde in Kooperation mit den heimischen Vereinen und Verbänden all jenen machen, denen Heimat kein leerer Begriff ist. Oberbürgermeister Eberhard David nennt ein wichtiges Anliegen des Denkmaltages: Die Organisatoren wie die Besucher »tragen dazu bei, das kulturgeschichtliche Erbe unserer Stadt für die Zukunft zu bewahren.«
60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lautet diesmal das Motto des Tages »Krieg und Frieden«. Begeben Sie sich auf Spurensuche - zum Beispiel zu den Orten jüdischen Lebens: Dorothee Meyer zur Bentrup zeigt anhand kundig ausgewählter Punkte, wie die Juden von verfolgten Außenseitern zu geachteten Bürgern wurden. Treffpunkt: 14 Uhr am Mahnmal am Bahnhof. Hätten Sie gedacht, dass sich in Ihrer Stadt diese Entwicklung seit dem Jahr 1345 dokumentieren lässt?
Bielefeld nimmt seit 1994 am Denkmaltag teil, zu dem die Idee 1984 in Frankreich geboren wurde; Deutschland beteiligt sich seit 1993. Und Bielefeld ist reich an historischen Zeugnissen: Die Liste verzeichnet 522 Baudenkmäler mit 578 Gebäuden, Parks und Friedhofsanlagen, ferner 54 Boden- und zwei bewegliche Denkmäler.
»Krieg und Frieden«: In den Dürkoppwerken (August-Bebel-Straße, Führung 11 und 14 Uhr ab Haupteingang) wurden Flugabwehrgeschütze gefertigt, heute ist es teilweise Theaterspielstätte, teilweise Aus- und Weiterbildungszentrum. Der Historiker Hans-Jörg Kühne erzählt an einem begehbaren Modell vom Leiden der Stadt im Bombenhagel (15 Uhr, Historisches Museum). Und die Sparrenburg, auf der Bürgermeister Horst Grube um 11 Uhr den Tag eröffnet, war einmal Festung, ein andermal Gefängnis und nicht zuletzt Ausflugsziel (Führungen 11 und 15 Uhr - auch zu sonst unzugänglichen Stellen!).
Sind Sie schon durch den Prachtbau an der Osningstraße 40 gewandert, durch Offizierskasino, Ballsaal, Kirchengemeindezentrum, Küchenstudio und Firmensitz in einem? Wenn nicht: Von 13 bis 17 Uhr besteht Gelegenheit dazu, außerdem wird gegrillt, und man serviert Kaffee und Kuchen.
Jörg-Christian Linkenbach öffnet ausnahmsweise die »Villa Katzenstein« (Detmolder Straße 15, 11 bis 18 Uhr), und dass die Museen - auch die kleinen in den Stadtteilen wie die ehemalige Osthusschule (Friedrichsdorfer Straße 100)! - und Kirchen (oft mit Sonderprogramm) den Besuchern ihre Schätze zeigen, ist geradezu selbstverständlich.
Überall liegt derzeit eine Broschüre aus, die alle 39 Veranstaltungspunkte auflistet. Bielefeld bietet seinen Bürgern am 11. September mehr als die meisten deutschen Großstädte. Bundespräsident Horst Köhler, der Schirmherr des Denkmaltages, warnt vor dem Verlust des kulturellen Erbes durch Vernachlässigung und fährt fort: »Auf die Bürger kommt es an!«
Die Botschaft: Nutze den Tag!

Artikel vom 07.09.2005