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Die Naturfilmer Michael Blaschke (li.) und Ulli Hauffe justieren eine der beiden Kameras.

»Startbahn« liegt über
den Biergarten-Tischen

Fledermäuse nutzen Baumhöhle am »Lindos«

Von Elke Wemhöner
Babenhausen (WB). An einem lauschigen Spätsommerabend im Biergarten zu sitzen, kann allein schon ein Vergnügen sein. Die Gäste des Restaurants »Lindos« an der Babenhauser Straße aber bekommen allabendlich noch ein besonders Naturschauspiel geboten: Nach Eintritt der Dämmerung können sie verfolgen, wie 16 Fledermäuse auf die Jagd gehen.

Vermutlich ist es eine kleine Kolonie von Großen Abendseglern, die eine Baumhöhle bezogen hat. Dafür sprechen die Größe der fliegenden Tiere und der Jagdbeginn kurz vor dem Untergang der Sonne. Fachleute haben sogar schon beobachtet, dass diese Fledermausart kurzzeitig gemeinsam mit Schwalben und Mauerseglern über insektenreichen Flächen und Teichen gejagt hat.
Die Naturfilmer Michael Blaschke und Ulli Hauffe waren der Kolonie per Zufall auf die Spur gekommen. Mit ihrer modernen Filmausrüstung nahmen sie am Montagabend den Ausflug der Tiere aus ihrer Baumhöhle auf. In einer der nächsten Wochen ist im regionalen Abendprogramm des WDR-Fernsehens ein Beitrag über heimische Fledermäuse geplant.
Der Große Abendsegler hat zwar nur eine Körperlänge von sieben bis acht Zentimetern, doch mit der Spannweite seiner Flügel kann er stattliche 36 Zentimeter erreichen und ist damit die zweitgrößte Art in Deutschland. Er ernährt sich von Insekten und großen Käfern, die er im Flug fängt. Fledermäuse orten ihre Beute und Hindernisse mit einem komplizierten Echolotsystem, mit dem sie die Natur ausgestattet hat. Naturschützer können fliegende Fledermäuse mit Hilfe eines speziellen Detektors orten.
Der große Appetit auf Insekten und Käfer hat für die Restaurantgäste positive Folgen: Sie bleiben beispielsweise von Mücken verschont. »Fledermäuse erbeuten und fressen 60- bis 100 000 Mücken pro Jahr«, erklärt Reiner Sander, Fachmann für Fledermäuse in der Arbeitsgemeinschaft Säugetiere des Naturwissenschaftlichen Vereins. Als weiteres Identifizierungsmerkmal des Großen Abendseglers nennt er den zackigen Flug. Auch in einer engen Höhle können nach seiner Erfahrung kleine Kolonien wohnen. »Die Tiere knubbeln sich ganz eng zusammen.«
Ein Naturschauspiel, wie es jetzt in Babenhausen die Menschen erfreut, sollte es eigentlich häufiger zu sehen geben, meint Sander. Doch Fledermäuse brauchen zum einen genügend Beute und zum anderen störungsfreie Schlafhöhlen am Tage. Beides ist rar geworden und in Babenhausen daher eine günstige Konstellation. Sander vermutet allerdings, weil Große Abendsegler so genannte »Durchzügler« sind, dass auch diese Kolonie sich in zwei bis drei Wochen ein neues Quartier weiter südlich suchen wird.

Artikel vom 07.09.2005