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Kiefer spielt Kamikaze

US Open: Hannoveraner trotzt Federer einen Satz ab

New York (dpa). Der »Außerirdische« war auf der Erde gelandet, aber der nur mäßig spielende Roger Federer ließ seinen Angstgegner Nicolas Kiefer trotzdem wieder nur einen Satz gewinnen.

»Wir sind auf der Erde, und er spielt auf einem anderen Planeten«, sagte der Hannoveraner und zog seine »96«-Mütze noch tiefer ins Gesicht. Die Enttäuschung nach der 4:6, 7:6 (7:3), 3:6, 4:6-Niederlage gegen den Titelverteidiger bei den US Open konnte er dennoch nicht verbergen. Federer bekommt es im Viertelfinale mit dem Argentinier David Nalbandian zu tun.
»Wenn es eng wurde, hat er unglaubliche Schläge gespielt. Das ist es, was mir noch fehlt«, sagte der Daviscupspieler, der in dem 3:02 Stunden langen Achtelfinale »Kamikaze« spielte. »Ich musste viel riskieren, nur dann hat man eine Chance gegen solche Spieler. Und wenn alles klappt«, erklärte Kiefer. Tat es aber nicht. »Ich war unruhig, habe schlecht aufgeschlagen und den richtigen Abstand zum Ball selten gefunden.«
Die 20 000 Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadion hatten Kiefer freilich längst nicht so schlecht gesehen. Vor allem im zweiten Durchgang witterten sie die Überraschung und feuerten »Kiwi« lautstark an. Eine ungewohnte Erfahrung für Federer. Ungewöhnlich sind auch die Schwierigkeiten des Eidgenossen, der gegen Kiefer immer seine liebe Müh und Not hat, obwohl er von zehn Vergleichen mit dem Niedersachsen jetzt sieben gewonnen hat. Vier davon in diesem Jahr. »Er riskiert viel, spielt sehr aggressiv und gibt mir keinen Rhythmus. Man findet keinen Plan gegen ihn«, meinte der Branchen-Primus und beschrieb den Kollegen als Spieler mit Qualitäten. »Er müsste nur konstanter werden, dann wäre er sofort ganz oben dabei.«
Kiefer ärgerte sich und meinte: »In Wimbledon und Cincinnati war ich viel dichter dran, ihn zu schlagen.« Doch auch in Flushing Meadows hatte er seine Chancen. Wenn man aber ein schnelles Break wie zu Beginn der Partie prompt wieder einbüßt, »hat man es auch nicht verdient«, merkte der 28-Jährige selbstkritisch an. Und es passierte gleich nochmal im zweiten Durchgang, den er im Tiebreak gewann. Dies war der erste Satzverlust Federers bei einem Grand-Slam-Turnier nach zehn Matches. Den bis dato letzten Satz hatte ihm in Wimbledon ebenfalls Kiefer abgenommen.
Die Enttäuschung wich erst aus Kiefers Gesicht, als er zwölf Monate zurück dachte. »Damals habe ich nach der Aufgabe gegen Tim Henman mit einer Manschette um meine kaputte Hand hier gesessen und wusste nicht, wie lange ich wohl nicht spielen kann.« Das Achtelfinale war wieder Endstation, aber diesmal ist Kiefer fit und gesund. Nach einem Kurzurlaub und einem Besuch bei »seinen« Fußballern von Hannover 96 geht es nach Liberec. Dort will er mit der Daviscup-Mannschaft gegen Tschechien zurück in die Weltgruppe: »Das müssen wir einfach schaffen, aber es wird schwer.«
Anna-Lena Grönefeld hat mit Martina Navratilova überraschend das Halbfinale erreicht. Die 20-Jährige aus Nordhorn und ihre 28 Jahre ältere Partnerin aus den USA bezwangen die an Nummer zwei gesetzten Swetlana Kusnetzowa/Alicia Molik (Russland/Australien) 6:7 (5:7), 7:5, 7:5. In der Runde der letzten Vier trifft das »Generationen-Doppel« auf Jelena Demetjewa/Flavia Pennetta (Russland/Italien) die Gegnerinnen.

Artikel vom 08.09.2005