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Wahlkampf spitzt sich zu

Merkel und Schröder bezichtigen sich im Bundestag gegenseitig der Lüge

Berlin (dpa). Die Zeit der leisen Töne ist abgelaufen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Herausforderin Angela Merkel (CDU) haben gestern in ihrem letzten Bundestags-Redegefecht vor dem 18. September den Wahlkampf mit heftigsten Vorwürfen angeheizt.
Schröder warf der Union das Fälschen der Arbeitsmarkt-Statistik vor. Insgesamt nutzte der Kanzler seine Bilanz über sieben Jahre Rot-Grün vor allem für scharfe Attacken auf die Opposition. Unions-Kanzlerkandidatin Merkel (CDU) erinnerte Schröder an sein einstiges Versprechen, die Arbeitslosenzahlen zu senken und sich daran messen lassen zu wollen. Beide trugen im wesentlichen in der von vielen Zwischenrufen geprägten Aussprache die Argumente vor, die sich auch in dem TV-Duell vorgebracht hatten.
Schröder kritisierte, die Opposition plakatiere die Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen. »Lassen Sie uns doch mal reden über Statistiken, die Sie gerne fälschen«, sagte der Kanzler. Die Union habe die Arbeitsmarktreformen mitbeschlossen, die die statistische Arbeitslosenzahlen zwar erhöht, aber 400 000 Sozialhilfeempfänger in die Arbeitsvermittlung gebracht hätten: »Wir sind da auf dem richtigen Weg.«, Die von der Union geplante Mehrwertsteuererhöhung werde zu noch höheren Spritpreisen führen.
Die CDU-Vorsitzende Merkel sagte zu Schröder: »Sie haben sieben Jahre entweder leere Versprechen gemacht, eine falsche Politik verfolgt oder Sie konnten sich nicht durchsetzen.« Es gebe mehr Arbeitslose und weniger Wachstum als vor sieben Jahren, die Rente werde »auf Pump« finanziert und die Pflegeversicherung sei in einem bemitleidenswerten Zustand. Statt weniger Bürokratie gebe es 700 neue Gesetze und mehr als 1000 neue Verordnungen.
Bei der Ökosteuer bezichtigte Merkel Schröder der Lüge. Er spreche von einem Ökosteuer-Anteil in Höhe von 1,5 Cent pro Liter Sprit, der in den Haushalt fließe. Der Anteil sei höher. Schröder sei an seiner Partei, an sich selbst und an der Wahrnehmung der Realität gescheitert. Zu Schröders Kritik an den Unionsplänen für eine Lockerung des Kündigungsschutzes sagte sie: »Es ist nicht redlich, den Untergang des Abendlandes auszurufen.« Der Kanzler habe es nicht geschafft, einen Haushalt für 2006 und so ein Zukunftsprogramm vorzulegen. »Deswegen sind Sie Vergangenheit.« Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sprach von einer Wechselstimmung in der Bevölkerung.
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering warf Merkel »Hochmut« vor. Sie verhalte sich, als sei die Wahlentscheidung schon gefallen. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, er habe von Schröder eine Abschiedsrede und von Merkel eine Regierungserklärung gehört. .
Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte mit Blick auf die von der Union angestrebte privilegierte Partnerschaft zwischen Türkei und EU an Merkels Adresse: »An dem Punkt versündigen Sie sich an den Sicherheitsinteressen Europas und Deutschlands.«
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Artikel vom 08.09.2005