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Märchen kam
nicht ganz an

Das Beste läuft außer Konkurrenz

Von Peer Meinert
Venedig (dpa). Eigentlich sollten zwei deutsche Helden die großen Stars am Lido sein: die Brüder Grimm. In Szene gesetzt von Ex-Monty-Python Terry Gilliam, gespielt von Matt Damon und Heath Ledger plus Monica Bellucci. »The Brothers Grimm« heißt der Streifen, der beim Filmfestival in Venedig um den Goldenen Löwen antritt.
Regisseur Terry Gilliam (Mi.) mit Monica Belucci, Matt Damon, Lena Headey und Heath Ledger.

Doch die Story über die deutschen Märchensammler, von Hollywood vollmundig angekündigt, enttäuscht am Lido. Dabei sollte sich Gilliam aufs Märchenerzählen verstehen, hat er sich doch schon an »Münchhausen« versucht. »Ich bin mit Grimms Märchen großgeworden«, sagt der Regisseur. Die geisterten noch heute durch seine Träume und Albträume.
Märchen, man weiß es, wirken durch Horror, Schrecken und Abgründigkeit: Unschuldige, holde Mädchen verschwinden im Schlund der vermeintlichen Großmutter, Königskinder werden in ekelhaftes, schleimiges Getier verwandelt. Doch der Schrecken kommt auf leisen Sohlen, nicht mit lautem Getöse wie in mittelmäßigen Hollywood-Thrillern.
Das zweite Kolossalwerk am Lido ist »Casanova« von Lasse Hallström. Der Film über den weltberühmtesten Venezianer, noch dazu in der Lagunenstadt gedreht, müsste bei den Italienern Jubel auslösen. Tut er aber nicht, dabei ist Casanova professionell in Szene gesetzt: als enttäuschter Liebhaber, den die einzig wirkliche Angebetete abweist. »Ich habe mir bei dem Film viel Freiheit zugestanden«, sagt Regisseur Hallström. »Bei mir ist Casanova zur Kommödie geworden.« Die Hauptrolle spielt der australische Jungstar Heath Ledger, der auch in »Brothers Grimm« spielt. Der Junge gilt als schwer preisverdächtig.
Es ist das alte Lied in Venedig: Die besten Filme laufen außer Konkurrenz. Zum Beispiel: »Everything is Illuminated«, das Regiedebüt des US-Schauspielers Liev Schreiber (»The Manchurian Candidate«), die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers »Alles ist erleuchtet« von Jonathan Safran Foer. Der Roman ist eine Art Road Movie in der Ukraine, erzählt von einem jungen Ukrainer in einem wunderschön unbeholfenen und falschen Englisch. In den Hauptrollen: Elijah Wood, Eugene Hutz und Boris Leskin.
Und im Wettbewerb? Da gab es Beifall für »Gabrielle« von Altmeister Patrice Chéreau: ein Film, der wie ein Theaterstück inszeniert ist. Isabelle Huppert spielt die Ehefrau, und das tut sie wunderbar. Auch im zweiten französischen Beitrag wird endlos geredet, »Les Amants réguliers« von Philippe Garrel. Es geht um die 68er Studentenrevolte.

Artikel vom 06.09.2005