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Aus der »Welt am Sonntag« am Tage des TV-Duells

»Großer Wahltest:
Welche Partei passt zu Ihnen?«

Leitartikel
TV-Duell Schröder/Merkel

Auch »Frau Kirchhof« ist ein Pluspunkt


Von Rolf Dressler
Es gab schon einmal Zeiten, da stichelten zwei Duellanten einander blutig bis zum Geht-nicht-mehr. Oder derjenige, der schneller war, streckte sein Gegenüber mit einer wohlgezielten Kugel nieder und beförderte ihn im totalen »Erfolgsfall« sogar geradewegs ins Jenseits.
Heute, in unseren zumindest halbwegs aufgeklärten »Event«-Tagen, werden solcherlei Zweikämpfe als mehr oder minder geist- und inhaltsreiche WortScharmützel in Szene gesetzt. Und die Kulisse dafür bildet ein ums andere Mal ein klinisch-edel weichgespültes Fernsehstudio - fast so wie im richtigen Theater.
Apropos: Bretter, die die Welt bedeuten! War denn nun was? Oder wird sich der Erregungsstaub um die Aufführung »Angela M. trifft Gerhard S.« schon binnen kurzem wieder verflüchtigt haben? Womöglich gar bleibt das dröhnende Drumherum dem Publikum nachhaltiger in Erinnerung - vor allem die ominösen Super-Hyper-Blitzumfragen von ARD und ZDF. Denn sie bescheinigten dem amtierenden SPD-Bundeskanzler bereits einen klaren Sieg im Schlagabtausch mit der Herausforderin Angela Merkel, kaum dass beide die erste Hälfte des sogenannten TV-Duells absolviert hatten.
Flugs war die offenbar sehnlich erwünschte Trend-Botschaft in der Welt: Schröder hängt Merkel ab. Doch Millionen Zuschauer an den Bildschirmen dürften sich verwundert Augen und Ohren gerieben haben, weil sie - unbeschadet ihrer persönlichen Sympathie für die eine oder die andere Partei - eine Kanzleramtsbewerberin gesehen hatten, die sich in der Sache wie im Auftreten dem Amtsinhaber allemal gewachsen zeigte. Dieser Eindruck verfestigte sich im zweiten Teil auch bei der Mehrheit der im Fernsehstudio anwesenden Journalisten, das spiegeln zahlreiche Kommentare im Blätterwald wider.
Noch in den Wochenend-Ausgaben unmittelbar vor dem »Duell« wurde dem Fernseh-Volk bedeutet, dass Schröder haushoch siegen werde. Angela Merkel, an- geblich »kamerascheu« und zu oft »kindlich unbeholfen« könne schon heilfroh sein, wenn sie das Kräftemessen mit dem Kanzler wenig- stens »stotter- und schlotterfrei« (!) überstehe. Ähnlich wie leider die »Welt am Sonntag« hatten auch viele andere Zeitungen Angela Merkel schon vorweg abgekanzelt.
Eine groteske Voreingenommenheit. Denn die Christdemokratin zeigte Herz und Verstand, parierte Schröders Billig-Polemik gegen »den Professor aus Heidelberg« (den Ex-Verfassungsrichter und möglichen künftigen Bundesfinanzminister Paul Kirchhof) ebenso gekonnt wie das törichte Gerede von Schröder-Ehefrau Doris Köpf, Angela Merkel sei schon wegen ihrer Kinderlosigkeit nicht wirklich familienpolitisch kompetent, und punktete deutlich bei Arbeitsmarkt und - Familie!
Derweil sprach »Duell«-Mit-Mo- derator Thomas Kausch Angela Merkel einmal versehentlich mit »Frau Kirchhof« an. Offenkundig bringt die Berufung Professor Kirchhofs nicht nur die rot-grüne Konkurrenz gehörig in Wallung.
CDU und CSU wird's freuen.

Artikel vom 06.09.2005