»Ihr Geld geht an Leute, vor denen Sie Angst haben«
Wiglaf Droste spießt gerne den Zeitgeist auf seine spitze Feder.
Wiglaf Droste las im TAM aus Voltaires »Candide«
Bielefeld (WB/mzh). Schon mal Voltaires »Candide« gelesen? Bemühen Sie sich nicht, Wiglaf Droste trägt Ihnen den 1759 erschienenen Text des spöttischen Aufklärers vor: als Hörbuch. Und wer ihn live erleben wollte: Droste, 44, Bielefelder, Abi am Heeper Gymnasium, ein Satiriker in der Nachfolge des berühmten Franzosen, las Teile des »Candide« am Sonntag im TAM. Die Ränge waren gut gefüllt, jung und alt munter gemischt - alles Kulturbeflissene, die wegen des Abendtermins das superwichtige, das über Wohl und Wehe der Republik entscheidende TV-Duell auf den vier gleichgeschalteten Kanälen nicht verfolgen konnten. Ihnen zum Trost hängte Droste an den Vortrag einen Merkel/Schröder-Schnellkurs (acht Minuten) an, und dann wusste jeder: Die Fernsehdauerlächlerin Nina Ruge hat Recht - alles wird gut. Ein fremder Text, durchaus aktuell (ein junger Mann lernt alle Schlechtigkeiten dieser Welt kennen), aber eben schon vor 250 Jahren erdacht - im TAM hatte der wegen überhandnehmender Verpflichtungen (Drostes Kollege Harry Rowohlt nennt das beharrlich »Schausaufen mit Betonung«) nicht so ganz picobello disponierte Künstler nicht allzu viel Gelegenheit, seine gefürchteten Wortkaskaden und Sinnjonglagen anzubringen. Nur soviel: Droste las ohne Honorar für den »Kreis 74«, der sich um Straffällige kümmert. »Ihr Geld geht folglich an Gefängnisinsassen, an die Leute, vor denen Sie sonst Angst haben.« »Wir sind stolz darauf, mit Wiglaf Droste wieder einen prominenten Helfer gefunden zu haben - inzwischen unterstützen uns schon mehr als 80 Künstler«, sagte der Sozialpädagoge Norbert Schaldach vom »Kreis 74«, der Droste vor neun Jahren erstmals verpflichten konnte. Drostes zahlreiche Texte gibt es überall, wo's gute Bücher gibt; aus gegebenem Anlass hat die mit dem »Kreis 74« zusammenarbeitende Eulenspiegel-Buchhandlung ein adäquates Sortiment vorrätig.
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