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Vitaler Zauberer am Flügel

Paul Kuhn veredelt die Geburtstagsfeier des Jazzclubs


Bielefeld (-er). Das virtuose Spiel auf der Tastatur, die samtweiche Stimme - wenn Paul Kuhn auf der Bühne im Scheinwerferlicht sitzt, sind die gesundheitlichen Handicaps verflogen. Eine Stunde be- und verzauberte Deutschlands berühmtester Jazzmusiker Samstagabend mit seiner Trio-Besetzung das Publikum in der Ravensberger Spinnerei. Das Gastspiel war das schönstes Geburtstagsgeschenk, das der Bielefelder Jazzclub sich und seinen Freunden machen konnte.
Der Auftritt des 76-Jährigen, um den die Fans noch vor wenigen Wochen aufgrund einer schweren Operation gezittert hatten, war Höhepunkt eines fünfstündigen Programms. Der Club-Vorstand hatte es geschickt gemischt und bot damit einen Querschnitt durch die Geschichte des Jazz.
Die »Hot Shots« aus Hamburg stimmten die Zuhörer im gut besetzten Raspi-Saal mit Jazz im Stil der 20er und 30er Jahre ein. Sie erwiesen sich wieder einmal als Fachleute des guten alten Swings. In ihrem temporeichen Programm präsentierten sie zur Freude des Publikums auch Waschbrett und Sousaphon.
Ignatz Netzer (Piano) und Thomas Scheytt (Gitarre) boten anschließend ein Kontrastprogramm mit ihren mitreißenden Boogie- und Blues-Stücken. Mit Augenzwinkern ließ Thomas Scheytt seine Zuhörer auch Einblick nehmen in seine Beziehung zu einer gewissen »Gisela«.
Die Dame, nach dem Duo die Bühne und auch das Publikum eroberte, ist hingegen als Barbara Dennerlein in der Szene bekannt. Was sie der Hammond B3-Orgel entlockt, hat Klasse und ist teils Balsam für die Ohren, teils Aufputschmittel für den Kreislauf. Im Trio mit den Netzer & Scheytt stellte sie sich im Anschluss an ihrem Solopart eine große Bereicherung dar.
Nach der Umbaupause war es zu später Stunde soweit: Vorsitzender Klaus Grießmeyer begrüßte den Star des Abends. Und Paul Kuhn machte keine großen Worte, sondern ließ sofort den Steinway »sprechen«. Der Musiker mit der mehr als 60-jährigen Bühnenerfahrung verwöhnte mit bester Qualität und durchgängiger Lockerheit. Den akustischen Genuss komplettierten Willy Ketzer (Schlagzeug) und Paul G. Ulrich (Kontrabass). Keine Frage: Paul Kuhn benutzt sie nicht als Staffage, sondern gibt ihnen Raum, sich selbst als Musiker zu präsentieren.
So gerieten laute und leise Stücke zu kleinen Kunstwerken. Und Klassiker wie »I remember you« oder »Fly me to the Moon« wurden von der Kuhnschen Handschrift geradezu veredelt. Als Dreingabe schenkte der Star dem Geburtstagskind noch zwei Zugaben. Und dann wurde noch gefeiert...

Artikel vom 05.09.2005