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Ein hochgiftiger
Cocktail fließt in
der »Krebs-Gasse«

Unüberschaubare Umweltschäden

New Orleans (dpa). Eine kilometerhohe Rauchwolke zeugt von einer Explosion im Chemielager am Eisenbahndepot. Aus der Luft ist auf dem Mississippi bei Venice ein Ölteppich zu sehen..

Neben den menschlichen Tragödien sind auch die Umweltschäden, die Hurrikan »Katrina« verursacht hat, unüberschaubar. »Cancer Alley« - Krebs-Gasse - heißt der hunderte Kilometer lange Katastrophenkorridor im Volksmund bereits.
Besonders akut ist die Lage in New Orleans. Die Stadt liegt unter dem Meeresspiegel, und das Wasser abzupumpen, das dort seit Tagen teils meterhoch in den Straßen steht, wird Wochen dauern. »Wir reden hier von einem unglaublichen Umweltdesaster«, warnt der stellvertretende Direktor des Hurrikan-Zentrums an der Universität von Louisiana seit Tagen. Auf mehr als 100 Milliarden Dollar (80 Milliarden Euro) schätzt Hugh Kaufman von der staatlichen Umweltschutzagentur EPA die Kosten der Säuberung.
»Wir haben es mit einem Giftcocktail zu tun, der nicht nur Bakterien und Viren aus den Abwässerkanälen, sondern auch Schwermetalle und giftige Chemikalien enthält«, sagt er. »Da ist Benzin aus Tankstellen drin, Altöl, Putz- und Haushaltsreiniger, Pflanzenschutzmittel, Chemikalien. In der Gegend gibt es jede Menge Tanks, in denen gefährliche Substanzen aufbewahrt werden.« Südlich von New Orleans gab es mehrere Mülldeponien, die völlig aufgeschwemmt sein dürften.
Die giftige Suppe könne eigentlich nur in die Kanäle geleitet werden, und dann über den Mississippi in den Golf von Mexico, meint Kaufman, kontrolliert und in zeitlichen Abständen, um die Gewässer nicht auf einmal mit diesen riesigen Giftberg zu belasten. Die Folgen für Flora und Fauna sind unabsehbar. An Land müssten die kontaminierten Schichten abgetragen und entsorgt werden.
Entlang der Golfküste von Mississippi gibt es mehr als 140 Chemieanlagen, im Golf von Mexiko waren 1600 Ölplattformen verankert. Eine davon hängt jetzt halb zerstört im seichten Wasser vor Mobile (Alabama). Die Flutwelle von Hurrikan »Katrina« riss die haushohe Anlage aus der Verankerung und kilometerweit mit.
Der Chemieverband ACC hat bei einem erstem Augenschein keine verheerenden Schäden entdeckt. »Nach bisherigen Informationen scheinen die Produktionsstätten unserer Mitglieder noch intakt zu sein«, teilte der Verband mit. Wie Tanks und Leitungen den Sturm tatsächlich überstanden haben, ist aber längst nicht abzusehen.
Der Ölteppich, der vor Venice südlich von New Orleans gesichtet wurde, dürfte aus zwei Tanklagern stammen, die tausende Barrel Öl enthalten. Die Stelle ist bislang nur per Boot zu erreichen. Das Bundesumweltamt EPA hat zwölf Teams an die Golfküste geschickt, die Boden- und Wasserproben nehmen.

Artikel vom 05.09.2005