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»Kein Blatt« zwischen
Merkel und Stoiber

CSU-Chef erhält leichten Dämpfer bei der Wiederwahl

Nürnberg (Reuters). CSU-Chef Edmund Stoiber hat nach seinen Äußerungen über die Ostdeutschen einen Dämpfer bei seiner Wiederwahl auf dem Parteitag in Nürnberg erhalten. Stoiber erzielte bei der Abstimmung am Samstag in der Frankenhalle mit gut 93 Prozent der Stimmen sein bisher zweitschlechtestes Ergebnis.

Vor zwei Jahren hatte er mit knapp 97 Prozent noch sein Rekordergebnis erreicht. Nach Einschätzung mehrerer CSU-Spitzenvertreter haben vor allem Stoibers Wahlkampf-Äußerungen über die Ostdeutschen trotz der Euphorie über die komfortablen Umfragewerte der Union in Teilen der Partei für Unmut gesorgt. Außerdem herrsche bei vielen an der Parteibasis Unverständnis über Stoibers Haltung, erst nach der Bundestagswahl über einen Wechsel nach Berlin zu entscheiden.
Stoiber betonte in seiner Grundsatzrede, er wolle der CSU national und international eine wuchtige Stimme geben. Die CSU müsse in einer neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP entscheidend mit dabei sein. »Dann heißt es: Angela Merkel wird Kanzlerin mit einer starken CSU.« Außerdem warnte der bayerische Ministerpräsident eindringlich vor einer Koalition aus SPD, Grünen und der neuen Linkspartei.
Gerhard Schröder nannte er einen Bundeskanzler »auf Abschiedstour«. Den Vorwurf der SPD, die Union stehe für soziale Kälte, konterte Stoiber mit dem Hinweis auf die Rekordarbeitslosigkeit in Deutschland. »Das ist soziale Kälte«, betonte Stoiber, und diese habe der Bundeskanzler persönlich zu verantworten.
Von den 844 Delegierten, die sich an der Abstimmung beteiligten, stimmten 764 für den Parteivorsitzenden, 57 gegen ihn. Stoiber betonte wie bereits zum Auftakt des Parteitags am Freitag die enge Zusammenarbeit mit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, die mit großem Jubel in Nürnberg gefeiert worden war. »Sie hat deutlich gemacht, wie sehr es wichtig ist, dass wir uns aufeinander verlassen können«, sagte der CSU-Chef. »In den Grundfragen, da gibt es kein Blatt zwischen Angela Merkel und mir.«
In der CDU, aber auch vereinzelt in der CSU waren Zweifel an der rückhaltlosen Unterstützung Stoibers für CDU-Chefin Merkel im Wahlkampf aufgekommen. So war er in den vergangenen Wochen auf Kritik gestoßen, weil er Merkel bei der öffentlichen Benennung von Mitgliedern ihres Wahlkampfteams zuvorgekommen war und der Kanzlerkandidatin für das Wahlergebnis eine Zielmarke von 45 Prozent der Stimmen gesetzt hatte.
In den Spitzen von CDU und CSU wird das Verhalten des CSU-Vorsitzenden intern auf dessen Enttäuschung zurückgeführt, nach seiner knapp gescheiterten Kanzlerkandidatur 2002 und dem vorzeitigen Ende der Wahlperiode nun nicht als Herausforderer von Bundeskanzler Gerhard Schröder den erwarteten Wahlsieg für die Union zu holen.
Stoiber betonte nun, ihm gehe es darum, die Linkspartei leidenschaftlich zu bekämpfen, die in Umfragen in Ostdeutschland besonders stark ist. »Mir geht es um die Zukunft Deutschlands, um die Zukunft im Norden, Süden, Osten und Westen.« Jede Stimme für die Populisten der Linkspartei mit ihren Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi sei eine Stimme für den Abstieg. »Wo Lafontaine drauf steht, sind die Kommunisten drin.«
Bei der CSU-Vorstandswahl musste auch der stellvertretende Parteivorsitzende Horst Seehofer leichte Einbußen hinnehmen. Er erreichte 83,4 Prozent der Stimmen, nachdem er 2003 noch mehr als 85 Prozent erzielt hatte. Der Sozialexperte leistete im vergangenen Jahr massiven Widerstand gegen das mühsam zwischen den Schwesterparteien ausgehandelte Unions-Konzept zur Einführung einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Streit über den Kurs in der Gesundheitspolitik gab Seehofer den stellvertretenden Vorsitz der Unions-Bundestagsfraktion auf.

Artikel vom 05.09.2005