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»Schröder macht Stimmung mit blanken Unwahrheiten«

Heute im Gespräch: Reinhard Göhner, CDU-Abgeordneter aus Herford

Bielefeld (WB). Kein Job-Wunder, aber weg vom letzten Platz beim Wachstum verspricht die CDU. Reinhard Brockmann sprach mit Reinhard Göhner über Arbeitsplätze

Täglich 1000 Arbeitsplätze weniger, heißt es bei der CDU. Kanzler Schröder schimpft: Alles Lüge! Seit April 2005 entstünden täglich 1500 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Was ist richtig?Göhner: Schröder täuscht, oder er kann nicht rechnen: Vor drei Jahren hatten wir 1,1 Miliionen Arbeitsplätze mehr. Also haben wir jedes Jahr mehr als 365 000 Arbeitsplätze verloren, also nach Adam Riese durchschnittlich mehr als 1000 pro Tag. Natürlich haben wir jedes Jahr im Sommer mehr Arbeitsplätze als im Winter - saisonbedingt. Aber im August 2005 sind es 1,1 Millionen Arbeitsplätze weniger als im August 2002. An dieser Tatsache kommt Schröder nicht vorbei.

Was muss geschehen, damit der Knoten am Arbeitsmarkt endlich platzt?Göhner: Wir müssen mit Maßnahmen beginnen, die kein Geld kosten und sofort umgesetzt werden: 1. Wir brauchen ein flexibleres Arbeitsrecht, mit dem Neueinstellungen erleichtert werden. 2. Wir brauchen einen radikalen Bürokratieabbau, damit der Mittelstand wieder atmen kann. 3. Wir müssen unsere Steuern grundlegend vereinfachen. 4. Ohne neues Zukunftsvertrauen wird es keinen Aufschwung geben. Der Zick-Zack-Kurs von Rot-Grün, Reformrücknahmen und das ständige Hin und Her untergraben jedes Zukunftsvertrauen. Wirtschaftspolitik ist nach Ludwig Erhard immer auch Psychologie. Deshalb ist das wichtigste, dass wir wieder Vertrauen in die Zukunft durch eine berechenbare, geradlinige Politik herstellen.

Angela Merkel nennt keine Zahlen. Steht das erhoffte Job-Wunder, wie es die USA und andere vorgemacht haben, doch auf wackeligen Beinen?Göhner: Kein Job-Wunder, aber es gibt keinen Grund, dass in allen anderen OECD- und EU-Staaten die Beschäftigung zunimmt und nur in Deutschland abnimmt. Das liegt nicht an den Menschen, sondern an den schlechten Rahmenbedingungen des Mittelstandes in Deutschland. Ich finde es richtig, dass wir keine Zahlen nennen. Wir werden die Arbeitsplatzvernichtung stoppen, wieder ein solides Wachstum erreichen und mit den genannten Maßnahmen neue Beschäftigung ermöglichen.

Betriebliche Bündnisse schließen die Mitsprache der Gewerkschaftszentrale aus. Müntefering wirft Merkel und Westerwelle deshalb vor, sie wollten die Gewerkschaften zerschlagen.Göhner: Unsinn. Betriebliche Bündnisse für Arbeit sind eine Zukunftsbedingung für Tarifautonomie. Wenn Arbeitnehmern, Betriebsräten und Arbeitgebern verboten wird, abweichende Vereinbarungen zum Tarifvertrag auf betrieblicher Ebene zu erreichen, werden sich noch mehr Arbeitnehmer und Arbeitgeber von den Tarifvertragsparteien abwenden. Die Gewerkschaften haben dramatische Mitgliedsverluste. Wenn sie weiter die Arbeitnehmer und die Betriebsräte in den Betrieben bevormunden, wird diese Tendenz sich fortsetzen. Wer die Tarifautonomie zukunftsfähig machen will, sollte deshalb betrieblichen Bündnissen nicht im Wege stehen.

Hilft es wirklich, den Kündigungsschutz noch stärker zurückzunehmen, als dies längst geschehen ist?Göhner: Das Arbeitsrecht ist in den letzten Jahren durch zahlreiche Gesetze noch komplizierter geworden. Es wird nur noch von spezialisierten Fachjuristen verstanden. Wie im Steuerrecht, so brauchen wir auch im Arbeitsrecht eine grundlegende Vereinfachung. Wir wollen keinem einzigen Arbeitnehmer, der heute Kündigungsschutz hat, diesen Kündigungsschutz nehmen. Der Arbeitslose aber hat nichts vom besten Kündigungsschutz. Deshalb wollen wir Neueinstellungen durch ein flexibleres Arbeitsrecht erleichtern. Lieber mit weniger Kündigungsschutz Arbeit finden als mit hohem Kündigungsschutz dauerhaft arbeitslos.

Bundesweit fahren Betriebsräte Kampagnen gegen das CDU-Steuermodell wegen der Streichung der Nacht- und Feiertagszuschläge. Der Kanzler sagt, die Löhne müssten um 18 Prozent steigen, um die Verluste beim Einkommen auszugleichen, Herr Hundt von den Arbeitgebern würde das niemals anbieten.Göhner: Auch hier versucht Schröder mit blanken Unwahrheiten Stimmung zu machen. Die Nacht- und Feiertagszuschläge werden nicht gestrichen. Wenn wir die steuerlichen Freibeträge pro Familienmitglied auf 8000 Euro erhöhen und den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken, werden diese Zuschläge zwar steuerpflichtig. Die steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer ist durch die Erhöhung der Freibeträge und Senkung des Eingangssteuersatzes aber größer als die Besteuerung von Zuschlägen, so dass die Arbeitnehmer netto mehr in der Tasche haben.
Müntefering wirbt inzwischen sogar um CDU-Arbeitnehmer. Nur die SPD stehe noch für soziale Marktwirtschaft. Ihr Slogan: Erhard würde Gerhard wählen.Göhner: Eine peinliche Beleidigung von Ludwig Erhard. Es geht um eine marktwirtschaftliche und soziale Erneuerung unseres Landes, nachdem Rot-Grün durch ständige Überregulierung die mittelständischen Betriebe drangsaliert hat. In sieben Jahren 700 neue Gesetze, das belegt die wirtschaftsfeindliche Regulierungswut. Schröder steht für die rot-grüne Rekordverschuldung, verfassungswidrige Haushalte, mehrfache Verstöße gegen den Stabilitätspakt, Rekordbelastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen, Mindestlöhne und inflationären Bürokratieausbau. Das ist das Gegenteil einer Sozialen Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard.

Artikel vom 06.09.2005