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»Männer rannten weg -
nur aus Angst vor mir«

Gisela Uhlen liest in der Galerie Samuelis Baumgarte

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Im »Forsthaus Falkenau« werden jetzt die Rolläden heruntergelassen. Gisela Uhlen jedoch, die seit 19 Jahren die Mutter des ZDF-Försters Rombach spielt, denkt noch lange nicht ans Aufhören. Aus Anlass einer Lesung in der Galerie Samuelis Baumgarte plauderte die 86-Jährige über ihr Leben und ihre Pläne.

Es ist, leider oder gottseidank, immer noch ein Leben aus dem Koffer. Mag Gisela Uhlen auch sehr zurückgezogen in Köln leben, so nimmt sie doch viel zu gerne am bunten Treiben in der Welt teil. Also: ins Hotel. »Und spätestens nach fünf Minuten lieg ich schon unterm Bett.« Darunter? »Ja, weil mein Johnny keine Ruhe gibt, bis er seinen Ball wiederhat.« Johnny ist Gisela Uhlens lebhafter Jack-Russell-Terrier (10), der die Diva ganz schön auf Trab hält.
Wenn die gebürtige Leipzigerin nicht am Rhein Gassi geht oder in München mit dem »schönen Team« vom »Forsthaus Falkenau wunderbare Erlebnisse mit Tieren« hat, schreibt sie. »Als ich unlängst meinen Nachlass ins Filmmuseum nach Babelsberg brachte, stellte ich fest, dass ich mindestens fünf Romane angefangen habe. Ist schon ulkig, wenn man liest, was man 20 Jahre zuvor wichtig fand.« Altersweisheit? »Na ja, man bringt doch mehr Erfahrung mit - allerdings auch eine Portion Resignation.« Vieles in heutiger Zeit sei »in den Müll gefallen«, die Menschen »kleinkariert und oft zu negativ«.
Richtige Freude aber entstehe aus Verpflichtungen. »Man füllt sich dadurch auch selbst auf.« Arbeit ist (mindestens) das halbe Leben. »Wenn ich heute jünger wäre, würde ich wieder wie eine Kanonenkugel losschießen«, versichert Gisela Uhlen. »Ich habe immer scharf auf Ungerechtigkeit und Dummheit reagiert.«
Ihr sehr turbulentes Privatleben mit sechs Ehen allerdings hat die Schauspielerin immer strikt vom Beruflichen getrennt. »Die Kollegen haben mich nie interessiert.« Nur wenn sie auch abseits der Bühne Tiefgang hatten - mit Wolfgang Kieling, mit dem sie die Tochter Susanne hat, zog sie sogar bewusst aus dem Westen nach Ostberlin.
Auch wenn Gisela Uhlen das literarische Theater liebt: »Der Boulevard hat mir immer großen Spaß gemacht.« Teuflischen Spaß. Bei den Wallace-Verfilmungen der 60er »sind die Männer, wenn ich erschien, manchmal vor Angst in den Keller gerannt.« Oder? »Oder sie haben mich verehrt.«
Gisela Uhlen, die in der NS-Zeit große Bühnenrollen und glückliche (und weniger glückliche) Filme drehte, bedauert es, dass der deutsche Film 1945 abstürzte »und nie wieder auf die Füße kam.« Faßbinder sei die Ausnahme gewesen, »ein bedauernswerter Glücksfall für uns Schauspieler«. Bedauernswert, weil er so früh sterben musste, ein Glücksfall, weil er gerne mit älteren Frauen arbeitete. »Heute werden doch Omas mit 20-Jährigen besetzt, grauenhaft.«
Schlimmer: Kein Regisseur, ob auf der Bühne oder beim Film, traue sich mehr an Anspruchsvolles heran. Existenzängste allenthalben. »Jeder glaubt, mit Qualität geht er pleite. So ein Unsinn.«
Die Wahrheit, die Gisela Uhlen sucht, findet man eben nicht im Boulevard. Schon eher in ihren eigenen Texten, in Kurzgeschichten, dem ominösen Roman und im Gedicht. Sie hat auch ein neues Filmprojekt an der Angel, »aber wegen der vielen Unwägbarkeiten möchte ich darüber noch nichts sagen.«
Lieber spricht Gisela Uhlen über die Kunst. »Ich habe viel gesammelt, Madonnenfiguren auch, aber wegen der vielen Umzüge das meiste weggeschenkt.« Jetzt schmückt moderne Malerei ihr Kölner Heim, und vom Spanier Amador, zu dessen Vernissage sie bei Samuelis Baumgarte aus der biblischen Schöpfungsgeschichte liest, ist sie sehr angetan. »Aggressive Kunst, Amadors Figuren verfolgen den Betrachter - ich mag das.« Denn »große Kunst soll zum Nachdenken anregen, zum Nachdenken zwingen. Wer das nicht mehr will, ist doch lebendig begraben.«

Artikel vom 03.09.2005