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Führerschein der »Zivis«
reicht oftmals nicht aus

Stadt verlangt bei Personenbeförderung immer Sondererlaubnis

Von Gerhard Hülsegge
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Zivildienstleistende in Bielefeld laufen Gefahr, ihren gerade erst erworbenen Führerschein zu verlieren, wenn sie von der Polizei etwa beim Personentransport angehalten werden. Ausnahmen duldet die Stadt nicht. Die Praxis sieht indes anders aus - und sorgt für Verwirrung nicht nur bei den Betroffenen.

Für das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter ist die Sache klar: Was sie betreiben, ist Mietwagen- und Auftragsverkehr, vergleichbar mit einem Taxigewerbe. »Darum haben alle 17 der 21 Zivis, die bei uns im Fahrdienst für Behinderte eingesetzt werden, auch einen Personenbeförderungsschein«, erklärte Michael Beimdiek, Geschäftsführer des DRK Bielefeld Soziale Dienste gGmbH, im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Die Kosten in Höhe von jeweils rund 300 Euro hat die Dienststelle gerne übernommen. »Sonst«, so Beimdiek, »dürften wir keinen Rollstuhlfahrer im Stadtgebiet transportieren«.
Bei neun Personen plus Fahrer ist aber Schluss. Auch bei der Arbeiterwohlfahrt. Deren momentan zehn Zivis im Kreisverband haben nur den normalen Pkw-Führerschein Klasse B, wenn sie in eigener Sache unterwegs sind und im Rahmen des Mobilen Dienstes die Klientel aus den eigenen Häusern vor die Apotheke oder zum Arzt kutschieren. »Wir machen keinen Fahrdienst«, rechtfertigt AWO-Sprecherin Richildis Wälter die Ausnahme.
Damit die jungen Männer trotzdem topfit am Steuer sind, lassen die von Bodelschwinghschen Anstalten (98 Zivis) sie vor Antritt des Dienstes nicht nur ärztlich untersuchen. »Bei uns gibt es auch kontrollierte Probefahrten«, so Alexander Pollhans, Leiter der Freiwilligenagentur und Zivildienst in Bethel. In Kooperation übernimmt auch schon mal die Johanniter-Unfallhilfe (JUH) Fahrten fürs DRK.
Treffen Zivis von DRK und AWO zusammen auf die Polizei, ist es an den Beamten zu entscheiden, für wen die Freistellungs-Verordnung (in diesem Fall für den Rotkreuz-Mitarbeiter) hinsichtlich der Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes Anwendung findet. Der Tenor hier: Wer mehr als neun Personen transportiert, braucht einen Personenbeförderungsschein. Wer's gewerbsmäßig betreibt, benötigt auch schon bei weniger Fahrgästen diese Sondererlaubnis. Da reicht manch einem Ordnungshüter der »Sprinter« als Indiz schon aus.
Und befindet sich offenbar im Einklang mit der städtischen Vorgabe. Pressesprecherin Margit Schulte Döinghaus: »Zivildienstleistende benötigen einen Personenbeförderungsschein, wenn sie Personen befördern - egal, um wie viel Personen es sich dabei handelt.« Der »Privatmensch« benötige einen solchen Schein ab ein einer Beförderung von zehn Personen.
Gleichwohl gibt es Ausnahmen für die »Beförderung von körperlich, geistig oder seelisch behinderten Personen mit Kraftfahrzeugen zu und von Einrichtungen, die der Betreuung dieser Personenkreise dienen«. Die Freistellungsverordnung von den Vorschriften des Paragraphen 48 der Fahrerlaubnisverordnung (Personenbeförderungsschein) würden inzwischen aber strenger geprüft und mancherorts sogar zurückgenommen, heißt es beim Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) in Köln. Grund: Das private Taxen- und Mietwagengewerbe fürchtet Konkurrenz.
Wird ein »Zivi« beim Senioren-, Behinderten- oder Krankentransport ohne Personenbeförderungsschein angetroffen, obwohl gefordert, begeht er eine Ordnungswidrigkeit und muss sogar mit Punkten in der Flensburger Verkehrssünderkartei rechnen. Befindet sich der Führerschein-Neuling noch in der Probezeit, droht ihm im Extremfall sogar der Verlust der Fahrerlaubnis.
Das BAZ weist deshalb darauf hin, dass der Einsatz von Zivildienstleistenden ohne notwendigen Personenbeförderungsschein untersagt ist. »Die Zivildienststellen haben hier eine Fürsorgepflicht«, betont BAZ-Sprecher Heinz-Günter Dickel. Und müssten auch die Kosten zum Erwerb des Personenbeförderungsscheins übernehmen. In Deutschland leisten zurzeit mehr als 49000 junge Männer ihren Wehrersatzdienst ab. Viele von ihnen sitzen dabei hinter'm Steuer. Offiziell sind dem BAZ in diesem Jahr zwar noch keine Führerscheinverluste auf Dienstfahrten bekannt geworden. »Die Dunkelziffer«, so Dickel, »kennen wir aber auch nicht«.

Artikel vom 03.09.2005