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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Der Weltjugendtag liegt nun knapp zwei Wochen zurück. Dieses kirchliche und organisatorische Großereignis hatte eine enorme Kraftausstrahlung.
Millionen Menschen hatten sich auf den Weg gemacht, die Grenzen der Kontinente wurden überbrückt. Auch zu Hause Gebliebene waren durch die Medien mit hinein genommen. Fragen Sie sich manchmal, wie solche Dinge in Bezug zu den schlichten Worten Jesu stehen? Gibt es bei so etwas überhaupt noch eine Verbindung zu dem so unaufdringlichen Mann aus Nazareth?
Ich habe über diese Frage nicht gezielt nachgedacht. Aber wie von selbst stieg in mir während des langsamen Abklingens der unmittelbaren Eindrücke ein Satz Jesu auf: »Stärke deine Brüder«. (Lukas 22) Kurz vor seiner Gefangennahme spricht Jesus - nach Zeugnis des Evangeliums relativ unvermittelt und überraschend - den Simon Petrus an. Er sagt ihm, dass er eigens für ihn gebetet habe. Und dann fügt er an: »Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder«.
Petrus weiß zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts von seinem bevorstehenden Verrat, er weiß deshalb auch nicht, warum er sich bekehren muss. Aber das will Jesus auch gar nicht mit ihm besprechen. Sondern die Hauptaufforderung ist eine andere: »Stärke deine Brüder«!
Ich habe den Eindruck, dass im Weltjugendtag genau so etwas wieder geschehen ist. Der Papst ist ja nach kirchlichem Verständnis der Nachfolger dieses Petrus. Denn diese kleine Szene vor der Gefangennahme zeigt, dass Jesus der beginnenden Kirche Hilfestellung geben wollte. Dafür hat er zwar nicht - nach heutiger Art - ein strategisches Planungstreffen im Kreis engster Mitarbeiter abgehalten. Aber er hat es auf seine Weise getan: er hat gebetet und gezielt ermuntert. Und dabei hatte er offensichtlich eine Person besonders im Blick: diesen Simon, dem er es zutraute, Fels der Kirche (= petros, gr.) zu werden.
Dieser Petrus also sollte stärken! Und genau dies ist es auch, was der Nachfolger des Petrus in Köln, Bonn und Düsseldorf sicherlich am meisten getan hat: Er hat junge Gläubige, seine jungen Schwestern und Brüder, gestärkt.
Allein schon der Gedanke des Weltjugendtages wurde (von seinem Vorgänger) unter diesem Gesichtspunkt entwickelt: Wenn die vielen sehr gläubigen jungen Menschen weltweit oft in ihrem Umfeld zu wenig Unterstützung haben und sich allein gelassen fühlen, dann muss man sie eben zusammen holen. Bereits die Begegnung wird sie stärken, sie werden sich gegenseitig ermutigen.
Es würde sie auch stärken, die verschiedenen geistlichen Akzente kennen zu lernen, die sich unter jungen Menschen auf der Basis des Evangeliums in den letzten Jahren entwickelt haben. Denn so viele geistliche Bewegungen sind in den vergangenen Jahrzehnten neu entstanden, von denen die meisten Gläubigen in den Gemeinden nicht einmal etwas mit bekommen. Sie entwickeln eine solche geistliche Kraft, sie reißen junge Menschen in guter Weise mit, sie zeigen ihnen, wie der Glaube wirklich den Alltag durchdringen kann. Die Weltjugendtage sollten der Ort sein, wo sich Mitglieder der Bewegungen und andere interessierte Gläubige endlich einmal begegnen. Auch dies ist gelungen und es stärkte die jungen Leute in ihrem Glauben tatsächlich sehr.
Der Papst selbst war eher bescheiden. Er wirkte zurückhaltend, manche Jubelgesänge schienen ihn fast peinlich zu berühren. Er hatte ja auch keine »Be-ne-dik-to« oder »Be-ne-det-to«-Rufe vorgeschlagen oder einstudiert. Aber er verhinderte auch nicht, dass junge Menschen endlich einmal im kirchlichen Raum Freude so zum Ausdruck bringen dürfen, wie sie es âim normalen LebenÕ tun. Seine Mimik - auf Großbildschirmen übertragen - zeigte den jungen Leuten, dass er sie wohlwollend anschaute. Und auch das hat sie gestärkt! Sie sind eben als ganze Menschen Gläubige; und wenn während der Wandlung bei der Messe auf freiem Feld mehr als eine Millionen Menschen schweigend auf ihren Isomatten knien, warum sollen sie zu anderer Zeit nicht ebenso inbrünstig freudige Schlachtrufe anstimmen?
»Stärke deine Brüder!« Diesem schlichten Wort Jesu aus den Anfängen der Kirche muss sich der neue Papst auch im 21. Jahrhundert verpflichtet gefühlt haben. Mit Gottes Hilfe ist es ihm gelungen.

Artikel vom 03.09.2005