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Lügenmärchen
bringen »zwei
Jahre mehr«

Versuchter Mord mit Cuttermesser

Von Uwe Koch (Text und Foto)
Bielefeld (WB). Mit einer unausgegorenen Lügengeschichte hat ein Angeklagter sich vor dem Schwurgericht vom Vorwurf des versuchten Mordes reinwaschen wollen. Der 51-jährige Peter B. meinte sich zum Auftakt des Prozesses am Donnerstag nicht erinnern zu können, seiner ehemaligen Freundin (26) heimtückisch fast die Kehle durchtrennt zu haben.

Die unfaßbare Bluttat am 16. März beendete ein Verhältnis, das so wohl nur im Kommunikationsverhalten der Internet-Generation möglich ist: Der Hamburger Kleinkriminelle Peter B. hatte seine Partnerin aus Bielefeld in einem sogenannten Chatroom kennengelernt. In dieser Schwatzecke pries er sich als 35-Jähriger Mann mit Lebenserfahrung an. Seine 14 Vorstrafen - Peter B. verbüßte neun Jahre Haft - und die drei gescheiterten Ehen und zwei Kinder verschwieg er sorgsam. Er plauderte stattdessen von seinen beruflichen Erfahrungen, prahlte mit seinen Freunden und beeindruckte die Mutter eines dreijährigen Mädchens: Sonja V. (Namen von Opfer und Zeugen geändert) lud den Fremden prompt nach Bielefeld in die Windflöte ein. Peter B. traf am 25. Januar für die Dauer eines Wochenendes ein, nistete sich jedoch mindestens drei Wochen dort ein.
Als die junge Frau nach und nach herausfand, daß sie von dem Geliebten rund um die Uhr betrogen wurde, gab sie ihm im Februar den Laufpaß. Wegen einer Lappalie kam es am 16. März noch einmal zu einem folgenschweren Treffen. Weil der Hamburger den Computer der Frau »kaputtrepariert« hatte, versprach er ihr einen Ersatz-PC. An jenem Tag stand er schon kurz vor 9 Uhr an der Tür der Mietwohnung, wurde zunächst nicht eingelassen. Punkt 10.30 Uhr sprach Peter B. erneut unter dem Vorwand vor, jetzt den Computer bringen zu wollen. Dabei bemerkte der Hamburger auch den neuen Freund der Frau, den sie wenige Tage zuvor ebenfalls über einen Internet-Plausch kennen- und liebengelernt hatte.
In der Küche kam es zu einem kurzen Vieraugengespräch. Hinterrücks griff Peter B. die 26-Jährige mit einem Cuttermesser an, mit dem er den Hals des Opfers vorn durchtrennte. Als der durch Geräusche alarmierte Freund hinzukam, fand er die blutende Frau und einen »ruhigen, ja kalten« Täter vor, der ihm lächelnd riet: »Kümmere Dich um sie, solange Du noch kannst . . .«
Peter B. verschwand, wurde eine Stunde später jedoch festgenommen. Zum Prozeßauftakt log der des versuchten Mordes angeklagte Mann so unverfroren, daß der sonst so beherrschte Staatsanwalt Klaus Metzler die Beherrschung verlor, weil ihn »ein Gefühl des Verar . . .« beschleiche. Metzler: »Das bringt Ihnen zwei Jahre mehr.« B. wollte angeblich soviel Alkohol getrunken haben, dass er eigentlich einen Promillewert von 3,0 hätte haben müssen. Im übrigen könne er sich an die Tat »überhaupt nicht erinnern«. Tatsächlich ergab eine Untersuchung lediglich 0,9 Promille. Metzler sarkastisch: »Mit dem Wert tanzen andere auf dem Seil.«
Sonja V. konnte gestern nur mühsam das grausige Geschehen schildern: B. hatte ihr mit dem Cuttermesser nicht nur den Hals durchtrennt, sondern die Luftröhre geöffnet und die Stimmbänder beschädigt. Die Frau wird sich nie mehr laut verständigen können. Jedoch lebt sie heute mit dem Mann zusammen, der ihr durch einen raschen Anruf beim Notarzt das Leben rettete. Meinte der Zeuge gestern: »Eigentlich wollte ich den Mann niederschlagen.« - Der Prozeß wird am 13. September fortgesetzt.

Artikel vom 02.09.2005