02.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jens Lehmann glaubt an sich

Auch Klinsmanns Äußerungen können den Torhüter nicht beirren

Berlin (dpa). Jürgen Klinsmann kann sagen, was er will: Jens Lehmann glaubt an seine WM-Chance und setzt auf die Fakten. Einen Tag nach der Degradierung durch den Bundestrainer zum deutschen Reservetorhüter präsentierte der 35-Jährige vom FC Arsenal London seine Sicht der Dinge.
»Ich habe selbst schon Interviews gegeben, bei denen ich später gedacht habe, das hätte ich besser anders gesagt«, philosophierte Lehmann über Klinsmanns Worte vom Vortag. Der hatte in einem Interview mit der »Sport Bild« Oliver Kahn deutlicher denn je als »Nummer eins« eingestuft und im Rennen um den Platz im WM-Tor eine Vorentscheidung verkündet: »Wenn nichts Außergewöhnliches passiert - Oliver ein langes Leistungstief haben sollte - oder eine Verletzung dazwischenkommt, dann hat er die besten Karten zu spielen.« Auch gestern rückte Klinsmann von diesen Äußerungen nicht ab: »Oliver ist der Platzhirsch.«
»Ich bin fest davon überzeugt, dass ich spielen werde«, konterte Lehmann scheinbar unbeeindruckt und kühl lächelnd: »Es sind noch neun Monate bis zur WM. Und solange ich die Möglichkeit bekomme, eine gewisse Anzahl von Länderspielen zu machen, habe ich alle Möglichkeiten.« Bei den Tests am Samstag in der Slowakei und am Mittwoch in Bremen gegen Südafrika will er deshalb Taten sprechen lassen und seine gegenüber Kahn ohnehin wesentlich bessere Bilanz noch eindrucksvoller gestalten.
In den sieben Spielen, die der Keeper in der Ära Klinsmann bestritt, gab es fünf Siege und nur sechs Gegentore. Statistisch gesehen musste Lehmann nur alle 97,5 Minuten hinter sich greifen. Kahns Bilanz im gleichen Zeitraum ist weit weniger beeindruckend. Der 36-Jährige war ebenfalls fünf Mal erfolgreich, allerdings in neun Spielen, bei denen er insgesamt 15 Gegentore hinnehmen musste. Im Schnitt zappelte damit bei ihm alle 53 Minuten der Ball im Netz.
»Ich spiele seit drei, vier Jahren konstant. Das wird sich auszahlen«, prophezeite Lehmann, der sich vor zwei Wochen das 2:2 der DFB-Auswahl gegen die Niederlande in London am heimischen Fernseher angeschaut hatte. Damals hatte Kahn in Rotterdam von einem »befreienden Gespräch« mit Klinsmann geredet und sich bis zur Nominierung des WM-Kaders das Trikot mit der Nummer 1 gesichert. Mit Lehmann, der die einst für Mittelstürmer reservierte Nummer 9 erhält, hat in Berlin noch keiner aus der sportlichen Leitung geredet.
Doch auch das berührt Lehmann offenbar nicht besonders. »Wenn ich Zweifel hätte, könnte ich gleich nach Hause gehen und bräuchte auch die beiden nächsten Spiele nicht mehr spielen. Man wünscht sich doch keinen Zweifler im Tor«, berichtete er über seine Gemütslage. Und weil er an die eigene Stärke glaubt, will er keine Aussage machen, ob er bei der WM auch die Rolle des Reserve-Keepers akzeptieren würde: »Ich könnte mich damit beschäftigen, wenn es mal so weit kommt.«
Klinsmann hat keine Probleme mit dem großen Optimismus des Wahl-Engländers Lehmann. »Das ist absolut okay. Ich würde meine Ansprüche auch formulieren. Spielregel ist, dass keiner den anderen attackiert«, reagierte der Bundestrainer gestern auf Lehmanns selbstbewussten Aussagen. Seine endgültige Entscheidung wird er ohnehin erst im Mai kommenden Jahres verkünden.

Artikel vom 02.09.2005