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Böll - Schriftsteller von mäßiger Begabung?

Reklame des WDR als Grund für das neue Interesse an Werken des Nobelpreisträgers


Zu dem Beitrag »Gesamt-Werk wird jetzt neu bewertet - Heinrich Böll starb vor 20 Jahren«:
Wenn das Interesse an dem Werk Bölls wieder zunimmt, wie Gerd Korinthenberg in seinem lesenswerten Artikel feststellt, so liegt dies, wie ich meine, beileibe nicht in der Qualität und Aktualität den Böllschen literarischen Arbeiten begründet. Vielmehr sind der Wirbel und die Reklame, die der WDR Anfang dieses Jahres um den Schriftsteller und sein Werk gemacht hat, die maßgebliche Ursache dafür.
Was Böll zu sagen hatte, beeindruckt heute kaum noch jemanden. Wer will sich denn auch immer wieder am selben Thema abarbeiten? Dauernd soll man sich wiederkäuerisch mit dem rheinischen Katholizismus, so wie speziell Böll ihn sah, auseinandersetzen. Und in fast jedem seiner Romane hat dann noch irgendwer eine Leiche aus der Nazizeit im Keller. Eine größere thematische Variationsbreite ist bei diesem Literaten kaum zu erkennen.
Und selbst Literaturnobelpreisträger zu sein, das allein will noch nicht viel heißen, zeigt doch zum Beispiel die Preisvergabe an Elfriede Jelinek in tröstlicher Weise, dass offenbar auch allenfalls mittelmäßige Literaten diese Auszeichnung gewinnen können.
Auch Böll war im Grunde ein Schriftsteller von mäßiger Begabung. Außerdem war, wie seine Sympathie für die Terroristen zeigte, sein politischer Durchblick doch sehr eingeschränkt. Eine Tatsache, die kürzlich auch Altkanzler Helmut Schmidt zu Recht monierte.
In Deutschland neigt man ohnehin dazu, den Literaturnobelpreis überzubewerten. Von Thomas Mann einmal abgesehen, haben die wahrhaft Großen der Literatur diesen Preis nicht bekommen. Andererseits haben Dichter und Schriftsteller von Rang bewiesen, dass die Fähigkeit, literarisch produktiv zu sein, nicht zu tieferen politischen Einsichten führt. Der Romancier Knut Hamsun zum Beispiel (Nobelpreis 1920) verehrte Hitler und befürwortete die Politik der Nazis. Kaum anders Anna Seghers (weithin bekannt durch den Roman »Das siebte Kreuz«): Sie war eine glühende Verehrerin des Massenmörders Stalin.
Friedrich Nietzsche hat recht, wenn er sagte: »Ist man in einer Sache Meister geworden, so ist man gewöhnlich eben dadurch in den meisten anderen Sachen ein völliger Stümper geblieben; aber man urteilt gerade umgekehrt. Dies ist der Übelstand, welcher das Hören auf Meister so gefährlich macht.«
RUDOLF WAKUP33102 Paderborn

Artikel vom 13.10.2005