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Schießbefehl
in New Orleans

Bush: Hilfsaktion verläuft bislang »inakzeptabel«

New Orleans (dpa). Im Katastrophengebiet im Süden der USA wird aus Verzweiflung Empörung und Wut: Trotz pausenloser Evakuierungen warteten in der im Dreck versinkenden Südstaatenmetropole New Orleans auch am Freitag Zehntausende auf Rettung.
Noch immer sitzen Zehntausende im Katastrophengebiet fest. Retter mit Hubschraubern sind pausenlos im Einsatz. Foto: Reuters

Die Kritik am Krisenmanagement der Behörden wurde immer lauter. Nach dem verheerenden Durchzug von Hurrikan »Katrina« seien Millionen Tonnen Hilfsgüter auf den Weg gebracht worden, beschwichtigte Präsident George W. Bush, doch sei das Ergebnis der Hilfsaktion bislang »inakzeptabel«. Er traf am Freitag in Mobile (Alabama) ein und wollte auch Biloxi (Mississippi) und New Orleans (Louisiana) besuchen. Aus dem Ausland rollte unterdessen eine umfassende Hilfswelle an.
Spezialisten des Pionier-Korps arbeiteten mit Hochdruck an der Reparatur der gebrochenen Dämme. General Karl Strock äußerte Sorge, dass neue Stürme heranziehen könnten, ehe die Dämme wieder hergestellt seien.
Im Footballstadion und im Kongresszentrum von New Orleans wateten tausende verzweifelte Menschen durch Abfall und Fäkalien, in Hauseingängen waren verwesende Leichen zu sehen. Die Armee begann, von Helikoptern aus Mahlzeiten und Wasserflaschen abzuwerfen. Die Lage wurde trotzdem immer schlimmer.
Polizisten standen mit Gewehren im Anschlag auf Häuserdächern, um marodierende Banden in Schach zu halten. Angesichts des Massenelends machte Bürgermeister Ray Nagin seinem Ärger über die schleppende Hilfe Luft. »Ich brauche Polizeiverstärkung, ich brauche Truppen, ich brauche Busse«, schrie Nagin im Radio. Da werde lange über den Einsatz von Schulbussen diskutiert, dabei müssten angesichts des Desasters sämtliche Busse im ganzen Land mobilisiert werden: »Bringt sie zum Teufel hier runter!«
Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, drohte Plünderern und anderen Gesetzesbrechern im Katastrophengebiet mit Waffengewalt. Zusätzliche Soldaten seien eingetroffen, sagte sie dem US-Nachrichtensender CNN. »Diese Soldaten wissen, wie man schießt und tötet.«
Der Senat verabschiedete in der Nacht zu Freitag in Washington ein Soforthilfepaket im Umfang von 10,5 Milliarden Dollar. Es handele sich um eine erste Tranche. Über weitere Gelder werde später entschieden. In dem verwüsteten Gebiet, das mit 233 000 Quadratkilometer so groß wie Großbritannien ist, fehlen noch immer Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medikamente und Transportmittel für Zehntausende.
Auch das Sportstadion Astrodome in Houston, zu dem Flüchtlinge mit Bussen 500 Kilometer weit gebracht worden waren, musste am frühen Freitag seine Türen wegen Überfüllung schließen. Ankömmlinge wurden nach achtstündiger Busfahrt abgewiesen.
Unterdessen rollt aus aller Welt eine Hilfsaktion an. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bot auch die Lazarettmaschine »Medevac« der Bundeswehr sowie Flugzeuge für Evakuierungen und Transporte an. Schröder: »Die Bilder sind kaum zu ertragen.«

Artikel vom 03.09.2005