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»Spiegel-Online« über
Jürgen Trittins USA-Kritik

»Ein Text mit 3931 Zeichen, aber kein Buchstabe von Trauer und Mitgefühl.«

Leitartikel
Trittins verbaler Amoklauf

»Der Jürgen«
kennt kein
Halten mehr


Von Rolf Dressler
Der Heimatplanet Erde ist uns Menschen gleichsam nur geliehen und treuhänderisch überlassen worden, auf dass wir möglichst pfleglich mit ihm umgehen.
Eines aber kehrt bei Katastrophenfällen immer und immer wieder: das Empfinden, eine höhere Macht, auch Schicksal genannt, verlange dem Homo sapiens und all den anderen Geschöpfen oftmals schier Unerträgliches ab.
Und genauso wie unlängst nach dem verheerenden Tsunami im fernen Indischen Ozean bündeln sich Entsetzen, totale Verzweiflung und grenzenlose Ohnmacht auch angesichts der Hurrikan-Verwüstungen auf dem nordamerikanischen Kontinent abermals in der beinahe rührend hilflosen Frage nach dem Warum. Wieso ausgerechnet hier? Und weshalb trifft es gerade uns?
Ein gewisser Jürgen Trittin hatte seine schallende Ohrfeigen-Antwort sofort parat. Knall auf Fall feuerte er sie auf den Lieblingsbuhmann in Washington ab, sogar noch während gerade die ersten Toten aus den Fluten in der Region um das weltbekannte New Orleans geborgen wurden: Niemand anderer als US-Präsident George W. Bush müsse sich ursächliche Mitschuld an den Verwüstungen ankreiden lassen.
Denn er verschließe angeblich die Augen vor den wirtschaftlichen und menschlichen Schäden, die seinem Land und der Weltwirtschaft durch Naturkatastrophen wie den Hurrikan »Katrina«, also »durch Unterlassungen beim Klimaschutz«, zugefügt würden, schrieb Deutschlands Herr über das Dosenpfand und die Windräder-Manie in der »Frankfurter Rundschau«. Die ätzende Botschaft des bekennenden Anti-Amerikaners und Alt-Linksaußen im Umweltministerrang: An der Tragödie von New Orleans seid ihr doch selbst schuld!
Damit aber nicht genug der politischen wie menschlichen Schäbigkeit. In Trittins Tirade findet sich kein Wort des Mitgefühls oder gar eine Beileidsbekundung für die noch ungezählten Opfer und deren hinterbliebene Familien. Das treibt ganz gewiss nicht nur »Spiegel-online«-Kommentator Claus Christian Malzahn zu Recht die Zornesröte ins Gesicht: »Bullshit! Trittins Text ist ein Schlag in das Gesicht aller Opfer.«
Nur zu wahr ist doch: Dieselben Leute, die sonst immer Amerikas neue Armut, seine Ghettos und Elendsviertel beweinen und die Vereinigten Staaten als gnadenlosen Monsterkapitalisten-Staat geißeln, bleiben jetzt, da vor allem anderen tätige nationale und internationale Hilfe gefragt ist, namentlich auch hier in Deutschland peinlich still.
Nun gut, gestern immerhin wurde das beschämende Treiben des Jürgen Trittin offenbar selbst dem Bundeskanzler zu bunt. Er persönlich stellte den Amerikanern rasche und konkret wirksame Hilfe in Aussicht. Und er sah sich dabei offenbar dringlich zu der Zusatzbemerkung veranlasst, dass dies nun wirklich nicht die Zeit sei, nach den Ursachen für Wirbelstürme und Überschwemmungskatastrophen zu suchen.
Wer einen Trittin (zu ertragen) hat, ist ja schon für solch ein kleines Lichtzeichen dankbar.

Artikel vom 02.09.2005