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Die schöne Prinzessin
findet den Kompromiss

Premiere: »Das trojanische Boot« in Bochum umjubelt

Von Ulrich Fischer
Bochum (dpa). Die Uraufführung des »Trojanischen Boots«, der ersten Operette des 21. Jahrhunderts, markiert eine Sternstunde der Ruhrtriennale.

Jürgen Flimm, der neue Intendant des neuen Festivals im Westen und sein Chefdramaturg Thomas Wördehoff, hatten Mnozil Brass, ein Wiener Bläserseptett, und ihren Regisseur Bernd Jeschek beauftragt, zur Ruhrtriennale 2005 eine Kreation beizutragen - mit Erfolg. Das Publikum geriet bei der Uraufführung am Montagabend in Bochums Jahrhunderthalle aus dem Häuschen, trampelte begeistert, pfiff anerkennend, spendete stehend Applaus und erzwang Zugabe um Zugabe.
Jeschek hat ein lehrreiches Libretto geschrieben: Seit Menschengedenken gibt es im Ozean zwei Inseln, die einander gegenüberliegen. Die eine wird von Kriegern bevölkert, die andere von Musensöhnen. Als eines Tages überraschend ein Boot auftaucht - das Trojanische! - sehen die einen darin Anzeichen einer Aggression, die anderen vermuten an Bord eine wunderschöne Prinzessin. Beherzt schwimmt ein Krieger hinüber, trifft auf eine über alle Maßen schöne Prinzessin und verliebt sich sofort. Es geschieht, was in jeder Operette geschehen muss: Die beiden singen ein Duett.
Die Lyriker erkennen im Übergriff des Kriegers eine Aggression, die Spannungen steigen, beinahe wären die Völker übereinander hergefallen, da kommt die Pause.
Im zweiten Akt findet die Prinzessin einen weisen Ausweg: sie kanalisiert die männlichen Aggressionen, statt zu einem Krieg kommt es zu einem Wettbewerb der Musiker. Dieser edle Kampf der Trompeten, Posaunen und der Tuba wird zum Höhepunkt des klug konstruierten Librettos, das mit ironischen Versen das immer währende Ringen um die Übermacht durch den Kakao zieht, wie: »Auf ins musikalische Gefecht!/Es siege unser röhrendes Geschlecht!«.
Das Septett spielt nicht nur virtuos und humorvoll, es lehnt sich laufend an Bekanntes an und passt es zu eigenen Zwecken ein: Film- und Kirchenmusik, Jazz und Volkslieder, Jodler und Techno. Gleichzeitig ersetzen die Bläser die Sänger und Tänzer wie den Chor und kommen ohne Bühnenbild aus. Eine Operette ganz im Geist des Neoliberalismus - allerdings nur, was die Sparsamkeit betrifft.
Ansonsten wird das zerstörerische Gegeneinander aufs Korn genommen, Kriegstreiberei, Fremdenhass und Dummheit. Jeschek konzentriert seine Inszenierung auf das Allerwesentlichste, sprechende Arrangements und komische Posen. Am erheiterndsten wirkt die Prinzessin im Mittelpunkt der männlichen Begierden, weil sie von einem Mann gespielt wird.
Beim Bläserwettbewerb überzeugt vor allem der Alphornbläser, sein Instrument gewinnt, wie immer wieder die Tuba. Egal, wer die Prinzessin am Schluss eroberte, Mnozil Brass eroberte auf jeden Fall das Publikum - im Sturm.

Artikel vom 31.08.2005