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24 europäische Länder stehen besser da, warum wohl?

Heute im Gespräch: Guido Westerwelle, FDP-Bundesvorsitzender und liberaler Spitzenkandidat der Landesliste

Bielefeld (WB). Arbeitslosigkeit und Staatsmisere sind hausgemacht. FDP-Chef Guido Westerwelle lässt angesichts besserer Beschäftigungsquoten in ganz Europa keine Ausreden zu. Ein Interview von Reinhard Brockmann.

FDP und CDU fordern unisono »Vorfahrt für Arbeit«. Wer hat den Slogan denn nun erdacht?Westerwelle: Der Satz stammt von Bundespräsident Horst Köhler. Er hat gefordert, dass wir alles tun, was Arbeitsplätze schafft, und alles lassen, was Arbeitsplätze kostet. Dem Motto fühlen wir uns verpflichtet, weil das die richtige Prioritätensetzung ist. Wenn Angela Merkel, Edmund Stoiber und ich uns morgen zum Wechselgipfel treffen, dann auch um unseren festen Willen und unsere Übereinstimmung bei dem Ziel zu demonstrieren, in Deutschland eine neue Politik zu schaffen, die den Arbeitsplätzen Vorfahrt gibt und nicht dem Dosenpfand.

Wo sehen Sie die Stoppschilder?Westerwelle: Dazu zählen die Ökosteuer, das Herausekeln der Bio- und Gentechnologie, die Diskussion über das Antidiskriminierungsgesetz, zusätzliche Abgaben, immer mehr Bürokratie: Das alles sind Maßnahmen, die Arbeitsplätze kosten. Wir hingegen wollen eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik. Das bedeutet niedrigere und gerechtere Steuern, eine Reform der Sozialversicherung, damit die Lohnzusatzkosten gesenkt werden können, denn die machen die Arbeit so teuer. Abbau der Bürokratie und mehr Aufmerksamkeit für Bildung und Forschung. Das ist die Zukunft Deutschlands und mit Sicherheit nicht eine Mischung aus ideologischer Fortschrittsfeindlichkeit und einer Verspargelung der Landschaft durch Subventions-Windräder.

Nicht die Ideologie, sondern die Kostenvorteile anderer sind laut Rot-Grün das Problem.Westerwelle: Wir werden nie so billig wie China, wie Indien oder manche osteuropäische Wettbewerber. Wenn andere billiger sind, müssen wir besser sein. Dass wir die neuen Technologien außer Landes schicken, zum Beispiel durch die Gesetzgebung von Frau Künast, anstatt sie einzuladen, hier die modernen Medikamente herzustellen, zeigt das Ausmaß der deutschen Misere.

Viele sind überzeugt, dass der globale Wettlauf für uns nicht zu gewinnen ist.Westerwelle: Das ist eine verheerende, törichte und nicht haltbare Fehleinschätzung. Wenn 24 Länder in Europa besser dastehen als Deutschland, denn wir liegen beim Wachstum auf dem 25. Platz, dann sieht der Jurist schon im zweiten Semester einen Anfangsverdacht, dass die anderen etwas besser machen. Deutschland hat eine Arbeitslosenquote von zehn bis zwölf Prozent, der Durchschnitt der übrigen 14 »alten« EU-Mitgliedsstaaten liegt bei 7,4 Prozent. Deshalb ist Massenarbeitslosigkeit bei uns kein Gottesgesetz und keine Plage der Globalisierung, sondern das Ergebnis falscher nationaler Politik.

Verstehen Sie die Aufregung in der CDU um Kirchhofs Steuermodell, das FDP-Modell scheint für junge Familien noch weitgehender zu sein?Westerwelle: Unser Modell mit den drei Steuersätzen 15, 25, 35 Prozent haben wir in den Bundestag eingebracht, um die Kaufkraft zu erhöhen. Gleichzeitig soll durch internationale Wettbewerbsfähigkeit dafür gesorgt werden, dass hier investiert wird. Wir fangen an mit einem fairen Freibetrag für Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Inklusive der Altersvorsorge wird nach dem Steuermodell der FDP eine vierköpfige Familie von 38 000 Euro an überhaupt erst steuerpflichtig. Wir finanzieren das durch den Abbau von Subventionen, Bürokratie und das Schließen von Steuerschlupflöchern.

Sie sind uneins mit der CDU in Sachen Mehrwertsteuererhöhung. Sollen wir die Frage bis nach der Wahl zurückstellen?Westerwelle: Ich werbe dafür, das Gewicht der FDP in einer schwarz-gelben Koalition zu stärken. Ich gehe in Koalitionsverhandlungen mit dem Ziel, eine Mehrwertsteuer-Erhöhung zu verhindern. Das ist mein festes Ziel, weil wir die Kaufkraft nicht reduzieren, der Schwarzarbeit keinen Vorschub leisten und der Politik kein frisches Geld in die Taschen geben dürfen.

Glauben Sie wirklich mit der großen Volkspartei CDU Subventionen umfassend abbauen zu können?Westerwelle: Das ist ein Grund, weshalb ich mit meiner Zweitstimme und meiner Erststimme FDP wähle. Ich kann die Einschätzung in Ihrer Frage nicht vom Tisch wischen. Wie mutig und wie modern die neue Politik und die neue Regierung ist, ob sie liberaler oder miefiger sein wird, alles hängt entscheidend davon ab, wie die FDP abschneidet.

Artikel vom 31.08.2005