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Der heisere »Superstar« und seine »Vorgruppe«

Joschka Fischer spricht in Bielefeld vor 1500 Menschen


Von Michael Schläger
Bielefeld (MiS). »Er kämpft um jede Stimme«, wird Bundesaußenminister Joschka Fischer in diesen Wochen nachgesagt. »Auch um meine eigene«, fügt der hinzu. Denn die klingt am Samstag rau und erholungsbedürftig, als er vor etwa 1500 Zuhörern auf dem Bielefelder Rathausplatz auftritt. Er selbst aber ist auch nach zwei Wochen Wahlkampftour noch guter Dinge. 45 Minuten sollte seine Rede dauern. Fischer packt 15 Minuten drauf. »So lange hat er noch bei keinem Auftritt gesprochen«, entschwindet am Ende mit dem Minister eine Mitarbeiterin. Fischer hat es dann doch eilig. Er will nach Köln, Fußball schauen. Der nächste Wahlkampfauftritt ist erst am Sonntag.
Aber erst einmal geht er mit Schwarz-Gelb ins Gericht: »Neoliberale Systemveränderer« seien das. »Mit steinernem Herzen.« Eindeutig seine Warnung vor Gysi und Lafontaine: »Wer die wählt, verschenkt seine Stimme.« Es darf auch geschmunzelt werden, etwa wenn er kokett davon spricht, dass für seine Generation, »die heutigen Rentner«, die Pensionen sicher seien, für die Jüngeren mehr getan werden müsse. Geht's um die von der CDU vorgeschlagene Besteuerung der Feiertags- und Nachtzuschläge, bemüht Fischer seine Zeit als Taxifahrer. »Was meint Ihr, warum ich so gern nachts gefahren bin. Da gab's mehr Geld.«
Erst zum Ende kommt der Staatsmann Fischer durch, als er vehement die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verteidigt. Gern wolle er auch nach dem 18. September Bundesaußenminister bleiben, sagt Fischer und spricht sich und den Anhängern Mut zu: »Die Wahlen werden erst auf den letzten Metern entscheiden,«
Die Grünen feiern Fischer wie einen Superstar. Ihre ganze Hoffnung scheint an ihm zu hängen. Bevor der Außenminister aufritt, ist die »Vorgruppe« dran, wie es Reinhard Loske, Fraktionsvize in Berlin und Nummer 2 auf der NRW-Landesliste, selbstironisch formuliert. Das sind die grünen Kandidaten aus OWL, zu denen auch die Bielefelderin Britta Haßelmann gehört. »Egal ob in der Regierung oder in der Opposition: wir werden weiter für die ökologische Selbstbestimmung kämpfen«, sagt sie. Den schwereren Part hat diesmal Loske. Er muss die Zeit bis zur Ankunft Fischers überbrücken, der mit einer Viertelstunde Verspätung im Wahlkampfbus eintrifft. So wird Loskes Rede fast zum grünen Grundsatzreferat.
Aus Sicherheitsgründen hat die Polizei auch die Niederwall-Fahrspur vor dem Rathaus gesperrt. Beamte haben sich auch auf den Rathaus-Balkonen postiert. Doch Vorfälle gibt es keine. Die wenigen Anhänger der Linkspartei auf dem Platz können sich kaum Gehör verschaffen.Politik

Artikel vom 29.08.2005