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Gefährliches Unterfangen:
Geschäftsreisen in den Irak
Unternehmer aus Steinhagen sorgt für Sicherheit, Dokumente und Mobilität
Rolf-Günther S. will anonym bleiben. Der in Frankfurt ansässige Kaufmann für Klimatechnik führt ein gefährliches Leben: Regelmäßig reist er nach Baghdad, um dort Projekte im Rahmen des Wiederaufbaus zu betreuen. »Da kann man glänzende Geschäfte machen -Êunter der Voraussetzung, in die eigene Sicherheit viel Geld zu investieren.«
Die Maschine der »Royal Jordanian« ist in Baghdad gelandet. Ein Flug, der auf keinem Flugplan auftaucht und nicht über ein Reisebüro gebucht werden kann. Das Ticket hat S. vom Steinhagener Sicherheitsexperten Matthias Keil bekommen. Dessen Firma »Command Risks Management« (CRM) ist spezialisiert auf Geschäftsreisen in Krisenregionen - und Irak ist derzeit eines der wichtigsten Aktionsgebiete.
Etwa einen Kilometer vor dem Terminal außerhalb des Flughafen-Geländes steht eine Reihe von Taxis. Näher dürfen die zivilen Autos aus Sicherheitsgründen nicht heranfahren. Ali im dritten Wagen, einem klapprigen Toyota, hat zwar keinen Sprengstoff an Bord, aber er hofft, dass er mal einen der Ausländer fahren darf, die in Baghdad ankommen. Er kennt da jemanden, der gute Verbindungen hat und »so einen« gerne in seiner Gewalt hätte. Nicht, um ihm vor laufender Videokamera die Kehle durchzuschneiden, aber ein hübsches Sümmchen könnte ein Kidnapping schon einbringen.
An einen wie Rolf-Günther S. wird Ali nicht herankommen. Denn Matthias Keil lässt seine Kunden niemals Taxi fahren. »Das wäre zwar un- auffällig, aber mit höchstem Risiko verbunden.« Aber da sind auch noch Sprengfallen, Maschinengewehrfeuer, Handgranaten - täglich kracht es auf der Schnellstraße vom Flughafen zum Stadtzentrum. Deshalb geht nichts ohne drei unauffällige gepanzerte Fahrzeuge der Schutzklasse B6 und acht Spezialisten, die um die Gefahren auf der »Route Irish« wissen. Die kommen mit ihren Autos direkt ans Terminal.
Viel Militär ist auf der Fahrt in die Stadt zu sehen, doch Sicherheit bietet das nicht. Im Gegenteil - Soldaten sind bevorzugtes Ziel von An- schlägen. »Also muss man sich wappnen«, sagt Keil, und erklärt das Sicherheitskonzept: »Die Panzerung der Fahrgastzelle schützt vor Verletzungen, auch wenn eine Explosion den Wagen stark beschädigt. Aber es müssen gleichwertige Autos in Reserve gehalten werden, damit man die Fahrt fortsetzen kann.« In seinem Steinhagener Büro, von dem aus Keil auf ein Netzwerk von Informanten zurückgreifen kann, ist er ständig aktuell informiert, wo Kontrollpunkte eingerichtet werden - und welche Papiere man zum Passieren benötigt. Seine Partner vor Ort, die den Personenschutz übernehmen, wissen so genau, wem sie welches Dokument zeigen müssen - oder ob der Checkpoint gar eine Falle darstellt.
Die zügige Fahrt führt vorbei an großflächigen Brachen, dann wieder rauchen Industrieschlote, durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogene Wohngebiete kommen ins Blickfeld. Kleine Läden, in denen die notwendigen Dinge des Alltags verkauft oder repariert werden, zeugen von neuem Leben, ebenso einige Baustellen. Der Handel funktioniert in Baghdad, die Stadt gaukelt Normalität vor, doch im nächsten Moment zerreißt eine Explosion das geschäftige Treiben. Keil, der die Tour selbst einmal gemacht hat, nennt die Atmosphäre »bedrückend«. Nichts ist mehr vom Glanz der einstigen Metropole zu spüren.
Die Begleiter von Rolf-Günther S. haben einen Stapel Dokumente ausgepackt. Woher sie die haben? S. weiß es nicht, er hätte auch keine Ahnung, wie er sie beschaffen sollte. »Das läuft nicht wie ein Visa-Antrag.« Keil sagt nur vieldeutig: »Man muss sich im Dschungel der neu strukturierten Zivilverwaltung des Iraks und der Alliierten Truppen auskennen und die entsprechenden Kontakte haben.«
Die US-Soldaten, die die »Green Zone« von Baghdad bewachen, kennen die Wagen. Und trotzdem sind sie misstrauisch. Die Green Zone, in der sich die wichtigsten Regierungsgebäude befinden, ist wie einst Westberlin von einer Beton-Mauer umschlossen. Wer drin ist, darf sich in Sicherheit wähnen. »Man hört zwar das Knallen draußen, aber dort ist es möglich, über die Straße zu schlendern. Es gibt Cafés, amerikanische Geschäfte und irakische Basare bieten Kleidung, Elektronikartikel und Lebensmittel. Pizza Hut, Burger King und chinesische Restaurants bieten ein wenig internationales Ambiente. Es wohnen auch einige Irakis in der Green Zone, alle überprüft auf ihre Vergangenheit. Auch sie werden bei jeder Passage der Mauer durchsucht.
Zwischen zwei Verhandlungen, zu denen S.' Gesprächspartner in die »Green Zone« gekommen sind, gönnt sich der Frankfurter einen Kaffee. Auf dem Bildschirm flimmern die Bilder von CNN. »Deren Journalisten und Techniker werden vom Sicherheitsunternehmen AKE betreut - die gleichen Leute, die mir CRM vermittelt hat.« Die Abende verbringt S. in einer Villa, in der die Sicherheitsunternehmen ihre Kunden einquartieren. Kolonialstil, etwas verblasste Eleganz - aber sicherer als ein Hotel.
Ein paar Monumente wie das Grabmal des Unbekannten Soldaten befinden sich in der »Green Zone«, aber die hat man schnell gesehen. Von draußen klingt das Rufen der Muezzine, aber die berühmte Khadamiyah-Moschee hat S. auch noch nicht gesehen.
Die Green Zone verlassen kommt nicht in Frage. So reizvoll ein Besuch im historischen Basar auch wäre - unnötiger Gefahr setzt sich S. nicht aus. Und das Nationalmuseum ist nach den Plünderungen während der Kriegstage nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Kosten einer solchen Reise: Je nach Aufwand sind zwischen 30 000 und 100 000 Euro pro Woche fällig. Dafür könnte man in Dubai im mondänen Burj al-Arab in Saus und Braus leben. In Baghdad zählen andere Dinge...
Die Geschäfte laufen gut. Im Winter muss S. nach Basra. »Eigentlich würde ich auf dem Weg nach Süden gerne mal die Ruinen von Babylon anschauen. Aber ich werde wohl über Kuwait einreisen.« Der Grenzübergang dort ist aber offiziell gesperrt und nur für das Militär passierbar. Matthias Keil setzt sein Pokerface auf, als er sagt: »Zum Justiz- und Verteidigungsministerium in Kuwait bestehen die notwendigen Kontakte.« Und Rolf-Günther S. fügt hinzu: »In Kuwait-City werde ich dann wohl auf der Rückreise meine Weihnachts-Einkäufe erledigen.« Thomas Albertsen

Artikel vom 03.09.2005