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Familie siegt
im Rechtsstreit
mit Sozialamt

Kein Anspruch auf Grundschuld

Von Christian Althoff
Minden (WB). Kommunen, die Hausbesitzern das Arbeitslosengeld II als Darlehn zahlen, dürfen sich dafür keine Sicherheit im Grundbuch eintragen lassen. Das hat das Sozialgericht Detmold entschieden, das damit einer Familie aus Minden Recht gegeben hat.

Kraftfahrer Stefan K. ist seit drei Jahren arbeitslos. Mit seiner Frau und drei Kindern (zwei, zehn und zwölf Jahre alt) lebt er am Stadtrand von Minden in einem 120 Quadratmeter großen Haus, das sein Vater 1937 gebaut hatte.
»Bis Juni bekam ich das Arbeitslosengeld II vom Arbeitsamt überwiesen«, erzählt der 60-Jährige. Im Juli übernahm dann die Stadt Minden die Auszahlung - und die Probleme der Familie begannen. Das Sozialamt erklärte, die Wohnfläche des Hauses sei für die Familie zwar angemessen, nicht aber die Grundstücksgröße. Mit 1563 Quadratmetern sei das Areal doppelt so groß wie erlaubt. Das Grundstück stelle deshalb ein Vermögen dar, das die Familie verkaufen müsse, um von dem Erlös zu leben. Stefan K.: »Natürlich könnte ich meinen Besitz teilen lassen und eine Hälfte veräußern, aber für diese Hälfte gibt es keine Baugenehmigung. Das ist Ackerland, das höchstens vier Euro pro Quadratmeter bringt!«
Die Stadt schlug deshalb vor, Stefan T. solle bis zum Jahresende sein Haus verkaufen. Bis dahin werde die Kommune der Familie für die fünf Monate August bis Dezember Arbeitslosengeld II von insgesamt 8300 Euro gewähren - aber nur als Darlehen, und nur bei Eintragung einer Grundschuld.
Als Stefan T. die Grundschuld verweigerte, stoppte das Sozialamt zum 1. August die Zahlungen. »Verwandte haben uns über den Monat geholfen«, erzählt der Familienvater. Er zog vors Sozialgericht in Detmold, das in dieser Woche im Eilverfahren eine Einstweilige Anordnung gegen die Stadt Minden erlassen hat.
In dem Beschluss heißt es, bei entsprechendem Vermögen könne das Arbeitslosengeld II zwar als Darlehen gezahlt werden. Allerdings sei nicht klar, ob im Fall der Familie T. überhaupt ein verwertbares Vermögen vorliege. Unabhängig davon dürfe eine Kommune ihre Zahlungen aber in keinem Fall von irgendeiner Sicherheit, wie einer Grundschuldeintragung, abhängig machen. »Eine solche Ermächtigung enthält das Sozialgesetzbuch II nämlich nicht«, schrieb das Gericht. Das SGB II lasse auch keinen Ermessenspielraum zu, auf den sich die Kommune berufen könne.
Wie viele Arbeitslose in ähnlich gelagerten Fällen bereits einer Grundschuldbestellung zugestimmt haben, ist unbekannt. Weder die Behörden vor Ort noch die Landesarbeitsagentur führen eine entsprechende Statistik. »Wir wissen aber, dass das immer wieder vorkommt und begrüßen deshalb den Beschluss aus Detmold«, sagte am Freitag Harald Thome von der bundesweiten Arbeitslosen-Beratungsstelle »Tacheles e.V.« in Wuppertal. Az.: S 9 AS 123/05 ER
Seite 4: Kommentarwww.tacheles-sozialhilfe.de

Artikel vom 27.08.2005