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Hoffentlich halten die Dämme

Nach dem Sinken der Fluten wird das Ausmaß der Schäden deutlich

München/Innsbruck/Genf (dpa). Die Fluten sinken, das Bangen bleibt: Nach verheerenden Überschwemmungen und neuem Regen drohten am Freitag Dammbrüche und Erdrutsche.
Touristik-Information Brienz, Berner Oberland: Dort, wo sich sonst die Urlauber tummeln, haben die Wassermassen Steine und Schlamm mit den abgestellten Fahrzeuge zusammengeschoben. Fotos: Reuters/dpa
Bis zum ersten Stock ist in Straussacker bei Regensburg ein Haus von der Donau geflutet.

Mindestens elf Menschen - vier in Österreich, sechs in der Schweiz und ein Mann in Bayern - kamen seit Wochenbeginn durch das Hochwasser ums Leben. Der Schaden geht in die hunderte Millionen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vereinbarten eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe für rasche Hochwasserhilfen in Bayern. »Wir wollen den Betroffenen ein schnelles Signal geben«, sagte Schröder in Augsburg.
Im Südosten Bayerns glichen weite Landstriche noch immer einer Seenplatte. Im Kloster Weltenburg bei Kelheim konnten Mönche und Helfer mit vereinten Kräften ein Eindringen des Hochwassers in die berühmte Klosterkirche verhindern. Mit Hochdruck versuchten Einsatzkräfte, aufgeweichte Dämme zu sichern. Die Behörden hoben den Katastrophenalarm auf. Seit Mitternacht falle der Pegelstand der Donau leicht, teilte das Landratsamt mit. Trotzdem seien zahlreiche Hilfskräfte im Einsatz. In Neustadt konnte ein Polderdeich, der zu brechen drohte, gesichert werden.
Die Isar glich immer noch einem reißenden Strom. Im Landkreis Erding arbeiteten Helfer weiter unermüdlich daran, aufgeweichte Dämme zu sichern. »Der Boden ist zum Teil so aufgeweicht, dass Fahrzeuge nicht mehr hinfahren können«, berichtete eine Sprecherin des Landratsamtes. Sandsäcke wurden deshalb mit Bundeswehr- Hubschraubern zum Einsatzgebiet gebracht. Das Wasser sinke nur eine halben Zentimeter pro Stunde. Deshalb werde sich die Lage bis Sonntag nicht wesentlich ändern.
Im niederbayerischen Landshut überflutete aufgestiegenes Grundwasser hunderte Keller. In der Drei-Flüsse-Stadt Passau fielen die Pegelstände von Donau und Inn. »Da der Inn zurückgeht, kann uns ein Hochwasser auf der Donau nicht schrecken«, sagte ein Stadtsprecher. Die Spitze der Donau wurde in der Nacht zum Samstag erwartet.
Im österreichischen Paznauntal, wo zuletzt 6000 Urlauber vom Hochwasser eingeschlossen waren, sollten noch im Laufe des Freitags mehrere provisorische Verbindungen zur Außenwelt geschaffen werden. Die meisten Orte im Paznaun wurden in den vergangenen Tagen über eine Hubschrauber- Luftbrücke mit Lebensmitteln, Medikamenten und technischem Gerät versorgt.
Experten befürchteten nach neuen Niederschlägen in Vorarlberg und Tirol, dass die vom Dauerregen völlig aufgeweichten Hänge ins Rutschen kommen könnten. Insgesamt sind nach offiziellen Angaben etwa 3500 Feuerwehrleute und Soldaten in den Hochwassergebieten im Einsatz. Nach inoffiziellen Schätzungen dürfte ein Schaden in oberer dreistelliger Millionenhöhe entstanden sein.
Leichte Entspannung auch in der Schweiz: Auf der Gotthardstrecke zwischen Basel und dem Tessin fuhren nach längerer Unterbrechung wieder Züge. Noch immer aber konnten hunderte Menschen nicht in ihre Häuser zurück, zahlreiche Gebäude waren ohne Strom. Überall gingen die Aufräumarbeiten weiter. Nach Schätzungen der Gebäudeversicherer in der Schweiz liegen die Schäden bei einer Milliarde Franken (646 Millionen Euro). Hinzu kommen landwirtschaftliche Schäden von mindestens zehn Millionen Franken. Betroffen vom Hochwasser ist auch Kulturgut. Wie das Historische Museum Bern meldete, wurde sein Depot in Thun überflutet. 6500 Objekte, darunter Möbel vom 16. bis zum 20. Jahrhundert und Alltagsgegenstände, werden so rasch wie möglich gegen die Wasserschäden behandelt. Es soll sich um Zerstörungen im Millionenwert handeln.
Bei der Deutschen Bahn richtete das Hochwasser in der Alpenregion Schäden in Höhe von mindestens zehn Millionen Euro an. Das teilte das Unternehmen in einer ersten Bilanz mit. Wegen der Überschwemmungen sind mehrere Strecken in Bayern derzeit nicht befahrbar. Betroffen seien vor allem der Großraum Garmisch-Partenkirchen und das Allgäu.

Artikel vom 27.08.2005