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Angst vor Terror in Hamburg:
drei Tschetschenen gefasst

»Heldentum vor Allah« angekündigt - Großfahndung - Zeuge abgewiesen

Hamburg (dpa). Nach einer spektakulären Großfahndung mit mehr als 1000 Beamten hat die Hamburger Polizei drei tschetschenische Terrorverdächtige gefasst. Ein Mann sei von der Polizei aus seiner Wohnung zum Verhör gebracht worden, die beiden anderen hätten sich später freiwillig den Behörden gestellt, sagte der Leiter des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA), Reinhard Chedor, am Freitag.
Die drei Terrorverdächtigen wurden von einer Videokamera in einem Bus fotografiert. Eine erste Großfahndung nach ihnen verlief am Donnerstagabend trotz eines Großaufgebots der Polizei ergebnislos.
Im Zuge der Fahndung wurden zahlreiche Fahrzeuge überprüft.

Die Männer im Alter von 21 und 25 Jahren wurden mehrere Stunden lang verhört. Noch sei offen, wann die Verdächtigen wieder freigelassen werden, sagte am Abend ein Polizeisprecher. Einzelheiten aus den Verhören wollte die Polizei nicht nennen. Allerdings ließ sie durchblicken, dass die drei Männer offenbar keinen konkreten Anschlag vorbereitet haben.
Am Mittwochabend hatte ein Ägypter gehört, wie die drei Männer in arabischer Sprache unter anderem über Heldentum »vor Allah« sprachen. Bei den »Sprachfetzen«, die der Mann verstanden habe, fiel nach Polizeiangaben auch der Satz: »Wir werden morgen als Held vor Allah stehen.« Warum sich die Tschetschenen auf Hocharabisch unterhielten, ist unklar.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte: »Ich kann noch nicht beurteilen, ob die Festgenommenen irgendetwas im Schilde geführt haben.« Es sehe im Moment aber nicht danach aus. »Ich bin dafür, dass man jedem Verdacht nachgeht.« Man müsse wegen der Bedrohung wachsam sein, solle aber nicht in Panik verfallen, sagte der Minister bei einer Veranstaltung in Hamburg-Rahlstedt.
Die Hamburger Polizei hatte nach dem Hinweis des Zeugen zunächst verdeckt und dann mit einem Großaufgebot nach den drei Männern gesucht. Dazu wurden Bilder einer Überwachungskamera aus einem Bus veröffentlicht. Am Freitag durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages ein.
Polizeipräsident Werner Jantosch sagte, es seien 255 Personen und 77 Autos kontrolliert worden. Aus der Bevölkerung hatten die Beamten 60 Hinweise bekommen, davon 3 nach ihren Angaben vielversprechende. »Wir haben alles getan, um so schnell wie möglich Licht in den Sachverhalt zu bringen. Ziel war, die drei Personen so schnell wie möglich zu ermitteln und den Sachverhalt zu verifizieren.«
Polizeivizepräsident Michael Daleki äußerte sich kritisch über den Beginn der Fahndung. »Das hätte anders laufen können.« Der Zeuge habe nach dem mitgehörten Gespräch eine Polizeistreife angesprochen. Der Beamte habe ihn angewiesen, auf dem Revier Anzeige zu erstatten und dann seine Streife fortgesetzt. Daraufhin sei der Zeuge nach Hause gefahren und habe die Polizisten seines Wohnreviers verständigt. Dort sei die Aussage zunächst bewertet worden. Das alles habe bis drei Uhr in der Nacht gedauert. »Dann kam die Entscheidung, die Morgenstunden abzuwarten, um erfolgreich tätig sein zu können«, erklärte Michael Daleki.
Innensenator Udo Nagel (parteilos) sagte, noch vor zwei Jahren hätte es eine derart umfangreiche Fahndung in Hamburg nach einem solchen Hinweis nicht gegeben, »aber nach den Anschlägen von London ist das etwas anderes«. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk (CSU), erklärte zu der Großfahndung, die Ereignisse im Hamburg zeigten, wie wichtig für eine erfolgreiche Arbeit der Sicherheitsbehörden die Wachsamkeit und Unterstützung der Bevölkerung ist.
Vier Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA lebten in Hamburg noch immer etwa 20 Islamisten, denen Attentate zugetraut werden, hieß es aus Sicherheitskreisen. In deren Umfeld gebe es etwa 200 Personen, die beobachtet werden müssten.
Drei der vier Piloten, die am 11. September 2001 entführte Passagierflugzeuge in das New Yorker World Trade Center und in das US-Verteidigungsministerium gesteuert hatten, waren Studenten aus der Hansestadt. Zum Jahreswechsel 2003/2004 hatten Hinweise auf einen möglichen Terroranschlag gegen das Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg für Aufregung gesorgt.

Artikel vom 27.08.2005