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Müntefering muss sich schonen

Frühere Bundestagspräsidentin Renger warnt vor »Turbo-Wahlkampf«

Berlin (dpa/WB). Treuer Parteisoldat an vorderster Front, Weichensteller des Zurück-nach-links-Kurses, Symbolfigur sozialdemokratischer Traditionen: Niemand verkörpert die neue, alte SPD so sehr wie Franz Müntefering. Nun muss sich der Parteichef Schonung auferlegen.

Wie lange er seiner Partei in der heißen Wahlkampfphase fehlen wird, ist noch nicht absehbar. Alle für gestern und heute geplanten Wahlkampftermine ließ Müntefering absagen. Auch das Wochenende wird der Parteivorsitzende noch zur Erholung nutzen.
Müntefering war am Mittwoch - wie berichtet - bei einer Wahlkampfveranstaltung in Homburg im Saarland zusammengebrochen und in eine Klinik gebracht worden. Er wurde gestern früh wieder entlassen. Müntefering gehe es gut, sagte der Direktor der Kardiologie, Professor Michael Böhm. »Er hat einen Kreislaufkollaps erlitten, der keine längerfristigen Folgen hat. Ich habe ihm aber geraten, etwas kürzer zu treten.« Auslöser des Zusammenbruchs waren offenbar ein abklingender Magen-Darm-Infekt und die Tatsache, dass der 65-Jährige zu wenig gegessen und getrunken hatte.
Müntefering flog nach Angaben der SPD am Vormittag von Saarbrücken nach Berlin. In der Live-Fernsehrunde mit Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten gestern abend im ZDF vertrat ihn SPD-Vize Wolfgang Clement.
Müntefering leide noch unter den Folgen des Magen-Darm-Infekts, sagte gestern sein Sprecher Lars Kühn. Erst heute werde entschieden, welche Termine der SPD-Vorsitzende bis zum Wochenende wahrnehmen werde.
Die Bielefelder SPD wird morgen jedenfalls auf den prominenten Wahlkämpfer verzichten müssen. Müntefering sollte eine Stunde nach Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer sprechen. Vorgesehen war eine 30-minütige Rede des Parteichefs, der um 12.30 Uhr auf dem Bielefelder Rathausplatz erwartet wurde. Stattdesssen gibt es nun eine »politische Fragestunde« mit dem Bielefelder SPD-Ratsfraktionsvorsitzenden Peter Clausen und dem Bundestagsabgeordneten Rainer Wend.
Die frühere Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD) warnte eindringlich vor einem »Turbo-Wahlkampf«. Die Politiker muteten sich körperlich und psychisch »unglaublich viel zu«, sagte Renger. Die 85-Jährige war von 1972 bis 1976 Präsidentin des Bundestages.

Artikel vom 26.08.2005