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Ein Handbuch »wacht« über allen Tätigkeiten

Qualitätsmanagement in der Arztpraxis

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Schon die Abläufe bei der Anmeldung eines Patienten sind genauestens festgelegt. Wie auch das Vorgehen bei einer Harnblasenspiegelung oder einer ambulanten Operation Schritt für Schritt vorgegeben sind, die Regelungen zu Sonderarbeitsplätzen - oder der Umgang mit Fehlern.

»Die Qualitätssicherung umfasst schlicht alle Bereiche - vom Labor über das Röntgen oder die Medizinprodukte«, sagt Dr. Rüdiger Godt. Der Urologe hat für seine Praxis - als erster seiner Fachdisziplin - ein Qualitätsmanagement entwickelt. Stolz kann er auch auf die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 verweisen.
Getragen wird das Qualitätsmanagement nicht von Godt alleine: »Das geht nicht. Da muss das ganze Team mitziehen«, betont er. Gleich zwei Mitarbeiterinnen sind in der Praxis daher zuständig: Ulrike Biermann ist die Qualitätsbeauftragte und mit ihrem Chef Verfasserin eines umfassenden Handbuchs, Melanie Gießelmann ist für die Qualitätssicherung im Röntgenbereich verantwortlich.
»Jeder Handgriff, jede Tätigkeit, jeder Ablauf ist bei uns jetzt standardisiert«, erklärt Rüdiger Godt. Das bedeutet Nachvollziehbarkeit und die Sicherung der Qualität durch klare Definitionen. Festgehalten sind sie in einem Handbuch, das stets im Werden ist: »Fertig ist es nie und soll es nicht sein.«, sagt Godt, und Ulrike Biermann ergänzt, dass jede Verbesserung einfließt und die Blätter ständig überarbeitet werden. Für neue Mitarbeiter ist die Zusammenstellung zudem eine gute Handreichung für die Einarbeitung.
Der Vorteil des Qualitätsmanagements liegt für Godt in der Vermeidung oder prompten Aufarbeitung von Fehlern, darin, dass die Reibungsverluste deutlich geringer sind und doppelte Arbeitsschritte vermieden werden. »Ein Kollege, in dessen Praxis das Qualitätsmanagement bereits eingeführt ist, hatte mir angekündigt, dass auch die Arbeitszeiten reduziert werden. Ich hatte es kaum geglaubt, aber es ist tatsächlich so. Bis zu einer halben Stunde täglich wird eingespart.« Zeit, die den Patienten zugute kommt, die den Mitarbeitern erlaubt, ihre Aufgaben mit mehr Ruhe und strukturierter durchzuführen.
Etwa 70 Praxen haben sich bereits der aufwändigen Zertifzierung nach DIN ISO unterzogen. Ein Qualitätsmanagement sollen die niedergelassenen Mediziner nach dem Gesetz vorhalten, eine Zertifizierung ist für sie keine Pflicht. »Sie hat aber den Vorteil, dass sie zur regelmäßigen Auffrischung zwingt, dazu, das Qualitätsmanagement am Leben zu halten«, sagt Dr. Michael Müller, Vorsitzender von medi-owl, einem Verband, in dem 430 Arztpraxen zusammengeschlossen sind. Die Kinderarzt-Praxis, die er begründet hat und in der heute vier Ärzte beschäftigt sind, gehört zu den zertifizierten: »Ich wollte einfach mal in einem Handbuch zusammenfassen, was wir schon immer miteinander besprochen hatten«, begründet er den ersten Anstoß.
Irgendwann, erwartet Müller, werde die Zertifizierung für die Praxen einen Wettbewerbsvorteil bedeuten: weil der Patient davon ausgehen kann, dass in diesen Praxen die Arbeit ständig hinterfragt wird. »Und bei Verhandlungen mit den Krankenkassen ist das Qualitätsmanagement immer ein Thema.« Besonders wichtig, betont Müller, sei das Qualitätsmanagement aber in großen Praxen und geradezu unerlässlich sei es bei Praxisverbünden: »Bei ihnen muss die Übersicht gewahrt werden, es muss eine Kommunikationsstruktur vorhanden sein.«

Artikel vom 29.08.2005