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Kinderbetreuung verbessern

Reaktionen der Parteien auf Jugendbericht - Herzog: Kinderrechte stärken

Berlin (dpa). Familienministerin Renate Schmidt (SPD) unterstützt die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz vom zweiten Lebensjahr an. Dies sei von 2008 oder 2009 an auch finanzierbar, sagte sie gestern bei der Vorlage des Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung.
Die ebenfalls von den Experten verlangte völlige Gebührenfreiheit für die Kindertagesbetreuung könne es aber nur schrittweise geben.
Schmidt, die Grünen, die Unionsfraktion und die FDP sehen sich in ihrer Familienpolitik weitgehend bestätigt. Für den Vorsitzenden der Experten-Kommission, Thomas Rauschenbach, müssen Familie, Vorschule und Schule mit den außerschulischen Einrichtungen zu einer »neuen Partnerschaft« finden. Der Ausbau der öffentlich geförderten Kinderbetreuung sei nicht gegen die Familien gerichtet, sondern unterstütze sie. Diese Zeitung berichtete gestern über den Jugendbericht.
Die Experten unterstützen auch ein Familiengeld, um berufstätigen Eltern im ersten Lebensjahr ihres Kindes eine Betreuung zu Hause zu ermöglichen. Dies will auch Schmidt bei einer Wiederwahl durchsetzen. Die Ministerin beklagte eine wachsende Zahl von Eltern mit mangelhafter Erziehungskompetenz.
Für die Unionsfraktion im Bundestag sagte Maria Böhmer (CDU), in vielen unionsgeführten Bundesländern gebe es bereits Bildungspläne bis zum zehnten Lebensjahr. Cornelia Pieper (FDP) unterstützte vor allem die Forderung nach einem bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder im dritten Lebensjahr. Für die Grünen sieht die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt in dem Jugendbericht eine Bestätigung rot-grüner Regierungspolitik.
Acht Monate nach Einführung der rot-grünen Arbeitsmarktreformen ist die Kinderarmut in Deutschland nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes auf Rekordniveau gestiegen. Hartz IV habe bisher vor allem Einkommenseinbußen für Arbeitslose auf Sozialhilfeniveau gebracht, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider gestern in Berlin. Eine Studie belege entsprechend: »Jedes siebte Kind in Deutschland ist einkommensarm.« In den neuen Ländern lebe sogar jedes vierte Kind in »Einkommensarmut«.
Schneider rechnete vor, dass 2004 drei Millionen Menschen von Sozialhilfe lebten. Mit dem Arbeitslosengeld II seien es heute mehr als sechs Millionen oder 8,7 Prozent der Bevölkerung. Die Dunkelziffer liege gar eine Million höher. Dies sei ein Höchststand. 2004 hätten 965 000 Kinder unter 15 Jahren auf Sozialhilfeniveau gelebt. Heute seien es 1,5 Millionen, wobei die Dunkelziffer bei 1,7 Millionen angenommen werde.
Bei den Bundesländern habe Bayern mit 6,6 Prozent einkommensarme Kinder die niedrigste Quote. In Berlin seien es knapp 30 Prozent. Vor allem ostdeutsche Städte lägen bei der Einkommensarmut in der Spitzengruppe: Görlitz (35 Prozent), Halle (34,6) oder Schwerin (34,3). Auch im Westen gebe es hohe Negativquoten: Bremerhaven (38,4) und Kiel (29,6).
Altbundespräsident Roman Herzog hat sich für die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz stark gemacht. Er bekam für diesen Vorstoß Unterstützung von Bundesfamilienministerin Renate Schmidt und deren niedersächsischer Amtskollegin Ursula von der Leyen (CDU). Herzog sagte gestern in Berlin, es könne nicht falsch sein, Grundsätze aufzunehmen, die die Rechte der Kinder stärkten und so einen Beitrag leisteten, mehr Platz für Kinder in den Köpfen und Herzen der Menschen zu schaffen.
Er verwies allerdings zum Auftakt der Initiative »Deutschland für Kinder - denn Kinder haben keine Wahl« von UNICEF, Kinderschutzbund und dem Bündnis für Kinder auch auf die eingeschränkte Handlungsfähigkeit des Staates. »Er kann über den Schutz von Kindern und die Höhe des Kindergeldes, über die pädagogischen Ziele und Methoden seiner Schulen wenigstens auf dem Papier entscheiden.« In zentralen Fragen seien aber andere gefordert. Er rief die gesamte Gesellschaft zum Umdenken auf.

Artikel vom 26.08.2005