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Mordprozess auch ohne Leiche

Verhandlung beginnt im Oktober - Ehemann will vor Gericht schweigen

Von Christian Althoff
Augustdorf (WB). Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der frühere Zeitsoldat Alexander F. (28) aus Augustdorf auch dann wegen Mordes an seiner Ehefrau verurteilt werden kann, wenn bis zum Prozess Ende Oktober die Leiche nicht gefunden wird. Das erklärte gestern Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink.

Wie gestern berichtet, war der Kraftfahrer jetzt, fünf Jahre nach dem Verschwinden seiner Frau, unter Mordverdacht festgenommen worden. Er hatte im Juni 2000 angegeben, seine Frau Bianca (22) habe ihn fünf Tage nach der Hochzeit im Streit verlassen und sei seitdem verschwunden. Fünf Polizeihunde hatten am Dienstag ein Waldgebiet in der Nähe der damaligen Wohnung des Ehepaares durchsucht, die Leiche der 22-Jährigen aber nicht entdeckt. Auch in der im Jahr 2000 betonierten Terrasse des Hauses wurden die Beamten nicht fündig: »Ein Bodenradargerät des Bundeskriminalamtes hatte einen Hohlraum angezeigt, aber wir fanden nur Schrott, der im Beton entsorgt worden war«, sagte Lippes Kripochef Bernd Flake.
»Prinzipiell ist eine Verurteilung auch ohne Leiche möglich«, erklärte Oberstaatsanwalt Höbrink. »Anderenfalls brauchten Mörder ihre Opfer ja nur auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, um einer Strafe zu entgehen.« Im Augustdorfer Fall lägen inzwischen so viele Indizien gegen den Ehemann vor, dass sich ein schlüssiges Bild ergebe »und ich keinen Zweifel an der Täterschaft des Ehemannes habe«, sagte Höbrink.
Besonders belastend seien die Angaben, die ein türkischer Häftling in der JVA Detmold gegenüber einem anderen Gefangenen gemacht hatte. Der Türke, ein Freund des tatverdächtigen Ehemannes, soll einem Zellengenossen erzählt haben, er habe einem Freund vor Jahren mit einem Alibi geholfen, nachdem dieser seine Frau getötet habe. Höbrink: »Die Namen, Orte und Daten, die der Türke nannte, kann er nur vom Täter erfahren haben.«
Auch das Verhalten des Ehemannes nach dem angeblichen Verschwinden seiner schwangeren Frau sei »höchst ungewöhnlich« gewesen, erklärte der Oberstaatsanwalt: »Er hat sich damals nicht einmal bei Freunden und Verwandten nach dem Verbleib seiner Ehefrau erkundigt und die Vermisstenanzeige erst erstattet, nachdem er von seiner Schwiegermutter dazu gedrängt worden war.« Höbrink erinnerte außerdem daran, dass die schwangere Frau angeblich ohne Mutterpass und andere Papiere aus dem Haus gegangen sein und auch ihre geliebte Hündin »Tina« zurückgelassen haben soll: »Das erscheint mir alles wenig nachvollziehbar.«
Dagegen bezeichnete gestern der Anwalt des inhaftierten Ehemannes die Anklage der Staatsanwaltschaft als »konstruiert«: »Wo ist denn der Beweis, dass die Frau überhaupt ums Leben gekommen ist?«, fragte Strafverteidiger Andreas Steffen. Die Suche nach der Toten sei eine immense Geldverschwendung und werde nichts zutage fördern: »Weil mein Mandant unschuldig ist.«
Alexander F., der sich nach dem Verschwinden seiner Frau in Zeitungen und Fernsehsendungen als besorgter Ehemann dargestellt hatte, ist inzwischen verstummt. Er hat angekündigt, auch im Prozess zu schweigen.

Artikel vom 25.08.2005