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Armstrong kontert Vorwürfe:
»Fortsetzung der Hexenjagd«

Die Zeitung L'Equipe hat Beweise: Der Tour-Sieger war 1999 schon gedopt

Paris (WB/dpa). Lance Armstrong steht wieder im Zwielicht und unter schwerem Verdacht: Der siebenmalige Tour-de-France-Sieger aus den USA hat erneute Doping-Vorwürfe der französischen Sportzeitung »L'Equipe« aber als »puren Skandaljournalismus« wie immer sofort energisch zurück gewiesen.

Das Blatt berichtete gestern unter dem Titel »Armstrongs Lüge«, das vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannte französische Doping-Labor Châtenay-Malabry bei Paris habe 2004 in sechs Urinproben des 33-Jährigen von 1999 Spuren des Blutdopingmittels Erythropoietin (EPO)nachgewiesen.
Der Amerikaner hatte sich bereits am Tag vor der Veröffentlichung auf seiner Homepage (»www.lancearmstrong.com«) zu Wort gemeldet und den Bericht als die Fortsetzung einer langen »Hexenjagd« bezeichnet.
»Ich werde nur wiederholen, was ich schon so viele Male gesagt habe: Ich habe niemals leistungsfördernde Substanzen genommen«, hieß es weiter auf der Armstrong-Seite. Grundlage der Anschuldigungen in der »L'Equipe« ist die Veröffentlichung einer Kopie nachträglicher Analysen von eingefrorenen Urin-Proben Armstrongs aus dem Jahr 1999, in dem der Texaner seinen ersten Tour-Triumph feierte.
Hein Verbruggen, der Präsident des Internationalen Radsport- Verbandes UCI, forderte die vollständige Aufklärung. Erst dann könne man entscheiden, »ob es rechtliche Schritte geben sollte und ob dies ein weiterer Schlag für den Radsport« sei. Derzeit seien in den Fall lediglich Armstrong und Frankreich involviert.
Der bei der Deutschland-Tour als Jury-Präsident fungierende UCI-Funktionär Martin Bruin hält juristische Schritte gegen Armstrong für unwahrscheinlich. »Ich rechne nicht mit rechtlichen Konsequenzen«, sagte der Niederländer in Bonn. »Die A-Probe, die damals genommen wurde, war negativ, die jetzt nachuntersuchte B-Probe positiv.« Ohne gültige Gegenprobe seien juristische Schritte gegen einen Sportler nicht möglich, erklärte Bruin.
Auch deutsche Doping-Experten bezweifeln Konsequenzen für Armstrong. »Die Frage ist zuerst einmal, ob die Tests rechtskräftig genug sind, um zu einer Anklage zu führen«, sagte der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), Roland Augustin. »Was man hier juristisch machen kann, muss vielleicht die WADA klären«, forderte Wilhelm Schänzer, der Chef des vom IOC akkreditierten Dopingkontrolllabors am Biochemischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln, Aktivitäten von der Welt-Anti-Doping- Agentur.
»Es gibt keinerlei Zweifel an der Gültigkeit der Test-Ergebnisse«, sagte Jacques de Ceaurriz, der Direktor des Labors Châtenay-Malabry. Allerdings seien die Proben »im Rahmen wissenschaftlicher Forschung« anonym ausgewertet worden. Es sei nicht um einen bestimmten Fahrer gegangen. Die Zeitung »L'Equipe« druckte jedoch ihr offensichtlich zugespielte Unterlagen, die eindeutig auf Armstrong hinweisen.
1999 war die Methode, EPO im Urin nachzuweisen, noch nicht entwickelt. Es steht seit 1990 auf der IOC-Liste der verbotenen Substanzen; Kontrollen wurden aber erst bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und der Tour de France 2001 durchgeführt.
»Wir sind nach diesen Enthüllungen sehr besorgt, sehr geschockt«, meinte Tour-de-France-Direktor Jean-Marie Leblanc in einer ersten Reaktion. Die Affäre habe »schwerwiegende Auswirkungen« für die Tour und zeige, »dass der Kampf gegen Doping im Radsport und in anderen Sportarten seine Zeit braucht«.
Jan Ullrich, Armstrongs Dauer-Rivale, stellte fest: » Ich wäre sehr enttäuscht, wenn sich diese schweren Vorwürfe gegen den Lance bewahrheiten würden.«

Artikel vom 24.08.2005