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Vermieter verlieren die Lust

Heute im Gespräch: Rüdiger Dorn, Bundesvorsitzender Haus und Grund

Detmold (WB). Einige können nicht, viele drücken sich vor der Mietzahlung. Der Schaden für die Vermieter beträgt nach Angaben von Rüdiger Dorn (Detmold) inzwischen jährlich zwei Milliarden Euro. Weiterer Verlust droht, wenn zum Jahresende die Nebenkosten-Nachzahlungen fällig werden. Mit dem Bundesvorsitzenden des Verbandes Haus und Grund sprach Bernhard Hertlein.
Rüdiger Dorn ist Rechtsanwalt und Notar in Detmold

»Haus und Grund« beklagt sich über steigende Mietschulden. Was sind die Ursachen?
Dorn: Eine zunehmende Überschuldung von Haushalten, die im Ergebnis zu einer wachsenden Zahl privater Insolvenzen führt. Eine Besonderheit sind die Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II. Einige nutzen es aus, dass die Behörden den Mietzins auszahlen, und geben das Geld für andere Dinge aus. Der Vermieter aber geht leer aus.
Schließlich wächst auch die Zahl der Mietnomaden. Diese Spezies bezieht Wohnungen in der betrügerischen Absicht, von vornherein keine Miete zu bezahlen. Der Gesamtschaden für die Vermieter beläuft sich inzwischen auf jährlich zwei Milliarden Euro.

Vielleicht sind ja die Mieten zu hoch?Dorn: Die Mieten gehen tendenziell sogar zurück. Die Anstiege liegen unterhalb der Inflationsrate. Was steigt, sind die Nebenkosten und hier vor allem die Energiepreise. Doch dies trifft Mieter und Vermieter in gleicher Weise. Das dicke Ende kommt vermutlich nach dem Jahreswechsel, wenn von vielen Mietern ein kräftiger Nachschlag auf ihre Vorauszahlungen verlangt werden wird. Ich rechne mit einer 20-prozentigen Erhöhung.

Gibt es Anzeichen, dass der Gesetzgeber die Regelung beim Arbeitslosengeld II korrigiert?Dorn: Wohl nicht vor der Wahl. Immerhin wurde angekündigt, dass die Zuverdienstmöglichkeit bei Hartz IV verbessert werden soll. In diesem Zusammenhang sollte auch wieder die Überweisung der Wohnungsmiete durch die unterstützende Stelle vorgeschrieben werden - ein Anliegen, das uns übrigens vor der Verabschiedung von Hartz IV von der rot-grünen Koalition zugesichert worden war. Wenn die nächste Bundesregierung das Verfahren nicht ändert, werden viele Vermieter, die es finanziell nicht nötig haben, sich den Ärger ersparen und einfach nicht mehr vermieten.

Teilen Sie die Einschätzung, dass auf den meisten regionalen Wohnungsmärkten ein Überangebot an Wohnraum zur Verfügung steht?Dorn: Absolut. Deutschland ist ein reiner Mietermarkt geworden - von ganz wenigen Ausnahmen wie München und Stuttgart abgesehen. Aber selbst dort kommen auf eine Zeitungsanzeige heute nicht mehr hundert, sondern nur zehn Bewerber. Vor allem die Nachfrage nach kleinen Single-Wohnungen ist rapide gesunken.

Woran liegt das?Dorn: Aus Kostengründen bleiben die 18-Jährigen heute länger bei Mutter wohnen. Da hat sich eine Entwicklung innerhalb von fünf Jahren total gedreht.

Könnten Sie einen Rückbau staatlicher Wohnungsbauförderung akzeptieren?Dorn: Ja - unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig eine großzügige Steuerreform wie von Paul Kirchhof vorgeschlagen die Menschen in die Lage versetzt, Wohneigentum auch ohne staatliche Subvention zu erwerben. Einzig die Familienkomponente müssten wir erhalten. Hier sind die Kommunen in der Pflicht, damit inner Orts Baulücken geschlossen werden. Da dies Erschließungskosten spart, kann das Bauland billiger an junge Familien abgegeben werden.

Welche anderen Forderungen hat Haus und Grund an die künftige Bundesregierung?Dorn: Zunächst die Liberalisierung des Mietrechts; für Mieter und Vermieter müssen gleiche Kündigungsfristen gelten. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dürfen nicht für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge herangezogenwerden.
Die selbstgenutzte private Immobilie muss als gleichberechtigte Altersversorgung anerkannt werden. Wir sind gegen eine Heraufsetzung der Erbschaftssteuer und natürlich gegen die Wiedereinführung einer so genannten Vermögenssteuer. Und was die Energiepreise betrifft, so muss die Bundesnetzagentur sämtliche Tarife umgehend und verlässlich prüfen. Aber in diesem Punkt sind wir ja mit den Mietern in einem Boot.

Artikel vom 24.08.2005