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Kennen sich seit 35 Jahren: Adelheid Rieffel und Moderator Wilfried Scheele Foto: Nora Bax

Von Pillepoppen und Keiten ticken

Adelheid Rieffel im Erzählcafé

Brackwede (bax). »Haben Sie früher auch "Keiten ticken" gespielt? Und "Pillepoppen" gefangen?« fragt Adelheid Rieffel in die Runde. Im Publikum wird genickt. Na klar, diese Begriffe sind bekannt. »Keiten ticken« bezeichnet das Murmelspiel und »Pillepoppen«, das sind Kaulquappen. Über ihr Leben und diese, für jüngere Zuhörer etwas seltsam klingenden Spiele aus ihrer Kindheit berichtete Adelheid Rieffel im Erzählcafé des Treffpunkt Alter.

»Krankenschwester ist sie, Fachschwester für Geriatrie, Hospizfrau, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, wie soll ich Sie denn nun begrüßen?« fragt Moderator Wilfried Scheele zu Beginn der Veranstaltung. »Das ist ganz einfach«, antwortet die Ruheständlerin. »In erster Linie bin ich Mensch«.
So berichtet die 62-Jährige bei ihrem zweiten Besuch im Erzählcafé auch nicht über ihre beruflichen Erfolge, sondern über menschliche Erfahrungen. In einem heiteren Dialog mit ihrem Publikum erzählt sie Geschichten aus Kindheit, Ausbildung und Arbeitsleben. »Fröhlich, beharrlich und unverdrossen« ist dabei ihr Motto. »Denn das soll später auf meinem Grabstein stehen«.
Aufgewachsen in Bethel auf dem »Morija«-Gelände, verlebte sie eine recht ungewöhnliche Kindheit. Denn gleichzeitig mit unbeschwerten Kinderspielen in Haus und Garten lernte sie früh, mit den psychisch schwer erkrankten »Morija«-Bewohnern umzugehen. »Mir hat diese Zeit sehr viel gebracht«, sagt sie rückblickend.
Die Kindheit und Jugend in Bethel prägten Adelheid Rieffel. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester verließ sie die Heimat und heiratete einen Pfarrer in der DDR. Dort verbrachte sie 17 Jahre ihres Lebens. Durch eine Ausweisung kehrte sie schließlich zusammen mit ihren drei Töchtern nach Bethel zurück.
Dort arbeitete sie im »Haus Einkehr« und war zuständig für 20 anfallskranke Frauen. Während dieser Zeit entdeckte sie, dass auch ihr Großvater, Wilhelm Kraa, in Bethel tätig gewesen ist. »Ich habe ihn selbst nie kennengelernt. Durch das Lesen vieler Nachrufe stellte ich fest, dass auch er einiges in Bethel bewirkt hat«, erzählt die Krankenschwester in Rente. »Heute denke ich, dass er mir die Begeisterung für andere Menschen vererbt hat.«
Zusätzlich zum »Haus Einkehr« betreute die 62-Jährige viele Jahre auch das »Haus Nebo« am Bethelweg, bevor sie, nach »wochenlanger Überlegung«, den Entschluss fasste, im Hospizbereich tätig zu werden. »Sterben ist nicht leicht«, sagt sie über diese Entscheidung, »man verlässt alles, was man hatte«. Seit Ende der 80er Jahre beeinflusste sie die Hospizbewegung in Deutschland maßgeblich und sorgte seit 1997 dafür, dass der Tod für die Bewohner des stationären Hospizes »Haus Zuversicht« in Bethel etwas leichter wurde.
Seit kurzem ist Adelheid Rieffel im Ruhestand. Und genießt ihn in vollen Zügen. Augenzwinkernd gesteht sie ihren Zuhörern: »Das Schönste am Ruhestand? Morgens um zehn im Nachthemd Zeitung lesen!«

Artikel vom 26.08.2005