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Schröder auf der Nobelpreis-Liste

Kanzler für Friedenspreis nominiert - Opposition: Wahlkampfmanöver

Oslo/Berlin (dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gehört wegen seiner strikten Ablehnung des Irak-Kriegs zu den Anwärtern auf den Friedensnobelpreis. Er wurde beim norwegischen Nobel-Institut neben 165 weiteren Menschen sowie 33 Organisationen für den angesehensten Preis der Welt vorgeschlagen. Die Entscheidung wird am 14. Oktober bekanntgegeben.

Schröder hält sich selbst des Friedensnobelpreises für unwürdig. »Meine bescheidenen Beiträge zur Lösung internationaler Konflikte werden dem Preis nicht gerecht. Ich wünsche mir, dass die Debatte so schnell wie möglich beendet wird«, sagte der Kanzlergestern Abend vor einem Wahlkampfauftritt in Kassel.
Die Opposition in Berlin nannte die Kanzler-Nominierung ein Wahlkampf-Manöver. Sie wurde allerdings bereits vor dem 1. Februar in Oslo eingereicht, als von der vorgezogenen deutschen Bundestagswahl am 18. September noch keine Rede war. Nach den Regeln des Osloer Nobel-Komitees müssen bis Februar alle Bewerber-Vorschläge für das laufende Jahr vorliegen.
Zuvor hatte der Schriftsteller und Träger des Literaturnobelpreises (1999), Günter Grass, gesagt, er sehe in Schröder wegen dessen Verweigerung einer deutschen Teilnahme am Irak-Krieg einen Kandidaten für den Friedensnobelpreis. Grass, der seit Jahren auch Wahlkämpfer für die SPD ist, kann als Träger des Literaturnobelpreises selbst keinen Kandidaten für den Friedensnobelpreis vorschlagen.
Der Direktor des norwegischen Nobel-Institutes, Geir Lundestad, wollte die Nominierung Schröders weder bestätigen noch dementieren. Dies sei nach den Regeln bei der Vergabe für die Dauer von 50 Jahren eine nichtöffentliche Information. Lundestad sagte: »Es ist richtig, dass führende Politiker aus großen Ländern recht häufig vorgeschlagen werden.«
Deutsche Politiker gehörten auch deshalb recht oft zum Kandidatenkreis, weil die Bundestagsabgeordneten in Sachen Friedensnobelpreis zu den »vorschlagfreudigsten Parlamentariern der Welt« gehörten. Sie würden aber keineswegs nur deutsche Kandidaten nominieren.
Letzter Preisträger aus Deutschland war 1971 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Nach den Nobelpreis-Regeln können neben Mitgliedern von Parlamenten, Regierungen sowie Gerichtshöfen in aller Welt auch bisherige Friedensnobelpreisträger sowie wissenschaftliche Einrichtungen Vorschläge zur Auszeichnung beim Osloer Komitee einreichen.
Zu den weiteren Kandidaten dieses Jahres gehören unter anderem der frühere US-Außenminister Colin Powell, der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko, die irischen Rockmusiker Bono und Bob Geldof und der chinesische Menschenrechtler Wei Jingsheng. 2004 wurde die mit zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotierte Auszeichnung an die kenianische Umweltschützerin und Menschenrechtlerin Wangari Maathai vergeben.
Regierungssprecher Béla Anda sagte in Berlin, er habe keine Erkenntnisse darüber, ob es einen Vorschlag zur Nominierung des Kanzlers gebe. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sprach von »reinem Wahlkampf«. Es sei von vornherein klar gewesen, dass die SPD versuchen werde, »die Irak-Karte noch einmal zu spielen«, sagte Gerhardt gestern in Passau.

Artikel vom 24.08.2005