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Verfassungsrichter sind am Zug

Klagen gegen Neuwahl: Schon heute könnte die Entscheidung fallen


Karlsruhe (dpa). Das Bundesverfassungsgericht tritt heute zu seinen entscheidenden Beratungen über die Auflösung des Bundestags und die geplante Neuwahl zusammen. In Justizkreisen hieß es, bei einer Entscheidung der acht Richter am Abend könnte das Urteil über die beiden Organklagen bis Ende der Woche veröffentlicht werden.
Gegen die vorzeitige Auflösung des Bundestags durch Bundespräsident Horst Köhler und eine Neuwahl am 18. September hatten die Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) geklagt. Aus Sicht der beiden Parlamentarier hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) - im Gegensatz zu der absichtlich verlorenen Vertrauensabstimmung - nach wie vor Rückhalt in der rot-grünen Regierungskoalition.
Die sechs Richter und zwei Richterinnen des Zweiten Senats wollen heute über eine Entscheidung beraten und den Termin für eine Urteilsverkündung festlegen, sollte keiner der Juristen zusätzliche Anträge stellen. Bei der mündlichen Verhandlung am 9. August waren unter den Richtern bereits kontroverse Positionen deutlich geworden.
Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch äußerte sich zum Beispiel skeptisch zur öffentlichen Begründung Köhlers für die Bundestagsauflösung. Der Berichterstatter in dem Verfahren, Udo Di Fabio, sagte dagegen, es sei nur schwer vom Bundesverfassungsgericht zu überprüfen, ob der Bundeskanzler noch eine gesicherte Mehrheit besitze.
Regierungssprecher Thomas Steg lehnte gestern Spekulationen über das Ergebnis der Prüfung durch die Karlsruher Richter ab. Die Regierung sei aber auf jedes Ergebnis vorbereitet, sagte er in Berlin.
1983 hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass es nicht nur formelle, sondern auch »materielle« Gründe für eine Auflösung des Bundestags geben müsse. Zugleich hatte es dem Kanzler in dieser Frage eine entscheidende Rolle eingeräumt, auf die sich Vertreter von Bundesregierung und Bundespräsident in ihrer Argumentation für Neuwahlen jetzt beziehen. Bundespräsident und das Gericht hätten nur eine begrenzte Zuständigkeit, betonen sie.

Artikel vom 23.08.2005