23.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Konjunktur gespalten wie nie

Konzerne starten durch und koppeln sich von der Gesamtwirtschaft ab

Von Marion Trimborn
Frankfurt/Main (dpa). Die Konjunktur in Deutschland ist gespalten wie selten zuvor. Während große DAX-Konzerne wie Allianz, Bayer und Deutsche Bank Rekordgewinne im ersten Halbjahr verbuchten, dümpelt die Gesamtwirtschaft vor sich hin. Der Boom der Konzerne geht völlig an der Wirtschaft vorbei, die im zweiten Quartal mit 0,0 Prozent nur stagnierte.

Trotz voller Kassen stecken die führenden deutschen Unternehmen ihr Geld nur zögerlich in Investitionen, die als Schlüssel für die Schaffung neuer Arbeitsplätze gelten. Keine Investitionen, keine Jobs, keine Kaufkraft, kein Wirtschaftswachstum, lautet die Kettenreaktion. Die flaue Investitionstätigkeit hält schon seit drei Jahren an. Die Zahlen für das zweite Quartal 2005 gibt das Statistische Bundesamt heute bekannt.
»Solange die Firmen ihre Kapazitäten nicht ausbauen, läuft der Aufschwung weiter auf Sparflamme«, sagt der Chefvolkswirt der Citigroup Jürgen Michels. »Die Gleichung: Gute Gewinne gleich gute Arbeitsplätze stimmt nicht.« Im zweiten Quartal haben Firmen in Deutschland nach Schätzungen lediglich 0,5 Prozent mehr investiert als im Vorquartal. Damit ist die leichte Investitionsfreudigkeit vom Jahresanfang mit 0,9 Prozent schon wieder abgeflaut. Gleichzeitig sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wenn die Firmen Geld investierten, dann in Ersatzmaschinen und Aufstockung der Lager.
Was bei Normalbürgern Kopfschütteln hervorruft, ist für die Ökonomen kein Widerspruch. Global aufgestellte Konzerne machen ihr wesentliches Geschäft längst im Ausland. Die Gewinne fallen zum großen Teil bei ausländischen Töchtern an - und dort wird auch wieder investiert. »Das Kapital wandert zum besten Wirt«, heißt die Regel der internationalen Finanzmärkte.
Der »Standort D« scheint einfach nicht attraktiv genug zu sein. »Die geringen Investitionen sind ein Zeichen der schlechten Stimmung und der Verdrossenheit mit dem Standort«, sagt Peter Englisch von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Für Investitionen brauche man eine gute Perspektive. Doch der private Konsum springt in Deutschland nicht an, die Verbraucher legen aus Angst vor Jobverlust und fehlender Altersvorsorge ihr Geld lieber auf die hohe Kante, statt es auszugeben. Die hohen Preise für Heizöl und Benzin belasten die Haushaltskassen ebenfalls.

Artikel vom 23.08.2005