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Rot-grüne Klage-Koalition: Jelena Hoffmann (SPD) und Werner Schulz (Grüne) riefen das Verfassungsgericht an. Fotos: dpa

Ja zur Neuwahl unter Auflagen erwartet

Heute um 10 Uhr sprechen die Verfassungsrichter

Karlsruhe (dpa/WB). Heute um 10 Uhr erfahren die Deutschen, ob sie am 18. September wie vorgesehen einen neuen Bundestag wählen können. Dann will das Bundesverfassungsgericht sein mit Spannung erwartetes Urteil sprechen.

Gut zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung verkünden die obersten Richter ihre Entscheidung über die Organklagen der Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) gegen die Anordnung der vorgezogenen Bundestagswahl durch Bundespräsident Horst Köhler. Die Fragen der Richter in der Verhandlung am 9. August hatten den Eindruck erweckt, dass der Zweite Senat die Klagen abweisen und die Neuwahl zulassen wird. Allerdings wird damit gerechnet, dass das Gericht künftigen Bundestagsauflösungen deutliche Grenzen setzen wird.
Hintergrund des Verfahrens ist die absichtlich verlorene Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) - mit dem erklärten Ziel einer Neuwahl. Das ist nach Artikel 68 Grundgesetz zwar grundsätzlich möglich, aber - so hatte das Bundesverfassungsgericht 1983 entschieden - nur dann zulässig, wenn der Kanzler keine dauerhafte Mehrheit mehr hinter sich hat und dadurch politisch gelähmt ist. Köhler billigte Schröders Vorgehen am 21. Juli und setzte die vorgezogene Wahl auf den 18. September fest.
Die Kläger hatten Schröder Flucht aus der Verantwortung vorgeworfen. Er genieße nach wie vor die Unterstützung der Regierungskoalition. »Das gefühlte Misstrauen, der pauschale Argwohn sollte nicht Grundlage der Bundestagsauflösung sein«, sagte Schulz in der Verhandlung.
Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens wird sein, welchen Einschätzungsspielraum das Gericht dem Kanzler bei der Beurteilung des fehlenden Rückhalts in den eigenen Reihen zubilligt. Mehrere Richter hatten in der ersten Verhandlung am 9. August anklingen lassen, dass das höchste deutsche Gericht wie auch der Bundespräsident nur eingeschränkt nachprüfen können, ob der Kanzler in der Regierungskoalition noch eine tragfähige Basis für seine Politik hat.
Zum entscheidenden zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts zählt auch die Bielefelder Professorin Gertrude Lübbe-Wolff. Die mit Unterstützung der SPD gewählte Juristin gilt als kritischer Geist im achtköpfigen Richtergremium. Bereits mehrfach hat sich die 52-Jährige mit »abweichenden Meinungen« gegen die Senatsmehrheit gestellt.
Mit Sondersendungen und Live-Schaltungen berichten ARD, ZDF sowie die Nachrichtensender n-tv und N24 über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Das ZDF begleitet das Urteil in einer von Bernhard Töpper von 9.50 Uhr an moderierten Sondersendung »Neuwahl: Entscheidung in Karlsruhe«.

Artikel vom 25.08.2005